Obwohl Black Metal schon lange im Musik-Mainstream angekommen ist bzw. diesen zumindest bereits gestreift hat, ist der ursprünglich bewusst auf Exklusivität gerichtete Geist der Stilrichtung nach wie vor fest in den Köpfen mancher seiner Anhänger verhaftet. Der Stereotyp, wonach jede Band, die mehr als zehn Fans hat und in ihren Songs auch nur Andeutungen von Melodien zeigt, unter den Bewunderern des Genres unweigerlich als „untrve“ zu gelten hat, hat sich nicht umsonst zum allseits beliebten Running-Gag entwickelt. Bei T.O.M.B. handelt es sich jedoch offenbar um ein Beispiel des Körnchens an Wahrheit in diesem Vorurteil: Seit über zwanzig Jahren mischen die Amerikaner Black Metal mit Einflüssen aus Doom Metal, Industrial und Noise und doch sind sie bislang immer unter dem Radar geblieben. Ob sich das mit ihrem sechsten Album „Thin The Veil“ nun ändern wird?
Aufseiten der Kunstschaffenden dürften T.O.M.B. zumindest schon ein gewisses Renommee innehaben, denn auf „Thin The Veil“ sitzt niemand Geringerer als Hellhammer höchstpersönlich hinter den Kesseln. Ein Talent wie das des Mayhem-Trommlers will freilich nicht ungenutzt gelassen werden und so verwundert es nicht, dass das Drumming auf „Thin The Veil“ im Zentrum des Geschehens steht. Tatsächlich ist es durchaus beeindruckend, mit welch unmenschlich-mechanischer Treffsicherheit und Brutalität sich Hellhammer durch rasende Black-Metal-Stücke wie das geradlinig voranpreschende „No Return“ oder das gnadenlos tobende „Decapitation Of Gods“ drischt. Dieser vermeintliche Segen entpuppt sich im Verlauf des Albums jedoch schnell als Fluch.
Davon abgesehen, dass die anderen Instrumente in der furchtbar ausgehöhlten Produktion zugunsten des Schlagzeugs rücksichtslos übergangen wurden, sodass man von ihnen oft kaum mehr als ein undefiniertes Dröhnen wahrnimmt, scheint sich auch das Songwriting viel zu sehr um die Rhythmusfraktion zu drehen. Dass die Gitarren überwiegend bloß als austauschbares Distortion-Geschrammel an die Ohren dringen, liegt demnach daran, dass da schlichtweg nichts anderes ist. Auch der interessante Genre-Mix, den T.O.M.B. sich auf die Fahnen geschrieben haben, hält leider nicht, was er verspricht.
Die Noise-Elemente beschränken sich im Grunde auf ein buchstäblich lärmendes Zwischenspiel („License To Depart“) und Industrial-Einflüsse schlagen sich allenfalls im maschinellen Sound der Platte nieder. Der gelegentlich in Erscheinung tretende Doom-Metal-Aspekt tut der Musik hingegen sehr gut. Insbesondere „Where The Wretched Lurk“, auf dem T.O.M.B. mit geröchelten Screams und schleppender, karger Instrumentierung vor dem inneren Auge schaurige Bilder einer desolaten, von Untoten bevölkerten Dystopie entstehen lassen, zeigt, was hier möglich gewesen wäre, wenn die Band etwas öfter von herkömmlicher Black-Metal-Raserei abgesehen hätte.
Nach außen hin macht „Thin The Veil“ eine Menge her: Das gespenstische Artwork von Paul Barton sieht zugleich furchterregend und kunstvoll aus, die Kombination der auf dem Album zum Tragen kommenden Genres stellt ein erfrischend unkonventionelles Hörerlebnis in Aussicht und mit Hellhammer haben T.O.M.B. sogar eine echte Koryphäe extremer Musik mit an Bord. Hinter dieser vielversprechenden Fassade verbringt sich jedoch bedauerlicherweise ein über weite Strecken substanzloses Machwerk mit mäßiger Tonqualität, dessen kreative Höhepunkte die Enttäuschung über die weniger gelungenen Abschnitte umso größer werden lassen. Damit werden T.O.M.B. vorerst wohl weiterhin ein Schattendasein im Black-Metal-Underground fristen.
Wertung: 4 / 10