Die Erde bebt, am Himmel ziehen Stürme herauf. Die Heere begeben sich in Schlachtaufstellung, Waffen werden gezückt. Man sieht die Entschlossenheit in den Augen der Feinde, und es ist klar, dieser Tag muss eine Entscheidung bringen – Keine der beiden Parteien wird sich geschlagen geben, und so kann nur blanker Stahl die Entscheidung bringen. Ist das Paradies tatsächlich verloren, oder gibt es noch einen letzten Hoffnungsschimmer? Zweieinhalb Minuten herrscht totale Stille auf dem Schlachtfeld, nur unterbrochen durch das Grollen der Stürme, bis es schließlich heißt „Set the World on Fire“! – Großes versprechen SYMPHONY X schon mit dem ersten Song auf „Paradise Lost“ mit einem Intro, das durch seine extreme Anreicherung mit dramatischen, epischen und bombastischen Elementen wohl einen mehr als perfekten Einstand in einen monumentalen Schlachtenfilm geben würde – „Oculus Ex Inferni“ wäre der Soundtrack. Und um das gleich vorwegzunehmen: Keine Note des folgenden entspricht nicht den hohen Erwartungen, die zuvor aufgebaut wurden, egal ob nun durch die akustische Vertonung des Covers gleich zu Beginn oder auch nur durch die fünfjährige Wartezeit seit „The Odyssey“. SYMPHONY X klingen ganz sicher in keinster Weise angestaubt oder aus der Übung gekommen, im Gegenteil wird einem auch 2007 wieder feinste Kost symphonischen Progressive Metals aus dem Hause Romeo serviert.
Und das nicht zu knapp – Gute 60 Minuten sind es, die einen auf „Paradise Lost“ wieder mal in allen Aspekten vollkommen umhauen wollen. Dass bei diesem Konzept, bedingt durch gewisse Markenzeichen der Band, nicht viel schief gehen kann, sollte ja jedem vorher schon klar gewesen sein, es stellt sich die Frage, welche andere Band eigentlich noch jeden Posten mit solchen Perfektionisten besetzt, die dazu noch aus dem symphonischen Power Metal stammt. Gerneverwandte wie Nightwish, Rhapsody of Fire oder selbst Dragonforce sehen hier jedenfalls alt aus. Dass man SYMPHONY X nach „Paradise Lost“ aber sowieso nicht mehr auch nur mit diesen Bands vergleichen sollte, ist klar. Die Truppe um Michael Romeo und Russel Allen zieht den Konkurrenten einfach in allen Aspekten davon (ob nun instrumental, was die Komplexität angeht oder wie emotional man zu Werke geht), und hat dabei sogar noch einen gewaltigen Vorteil gegenüber weiter im Progressive Metal angesiedelten Bands – Man bleibt auch für den gewöhnlichen Power Metal Hörer (zu denen ich mich auch zähle) wunderbar nachvollziehbar und vermag auch diesen mitzureißen. Beispiele hierfür wären die sogar thrashig angehauchten „Domination“ und „Set the World on Fire“, die trotz der Komplexität, die sich bei aufmerksamen Anhören herauskristallisiert, im Grunde einfach sehr starke Power Metal Hymnen sind, die mit nachvollziehbarem Aufbau und starken, mitsingtauglichen Refrains aufwarten und dabei eben trotzdem viel interessanter klingen als Genrekollegen. Dies gilt aber auch für den Rest des Albums, der sich noch weiter von der schnöden Eintönigkeit abhebt, in die sich andere Bands des Sektors oft festfahren.
Die wichtigsten Trademarks für den einzigartigen Sound der Band sind dabei natürlich die Stimme von Russel Allen und das Gitarrenspiel Romeos. Ersterer ist allein technisch und emotional ein Gesangswunder, zusätzlich bleibt er aber nicht immer clean, sondern tönt auch gerne mal ziemlich rau, was die Vocals um weitere Facetten erweitert. Ich möchte fast behaupten, für die Musik, die SYMPHONY X macht, ist er die perfekte Besetzung für den Gesang. Am essentiellsten für die Band ist und bleibt aber natürlich Michael Romeo, seineszeichens Mastermind der Truppe. Was ihn zu einem Gitarristen macht, der weit abseits aller anderen Metal-Gitarreros steht, ist schlicht die Tatsache, dass er den perfekten Mittelweg für sein Instrument gefunden hat: Seine Gitarrenlinien sind trotz unfassbarem technischen Anspruch immer songorientiert und irgendwie einfach verdammt cool. Während im einen Moment noch rhythmisch anspruchsvollstes Riffing geboten wird, schleudert er im nächsten Monat ein verdammt schnelles Lead-Fill in den Song, der darunter aber nicht leidet, sondern nur noch mehr Fahrt aufnimmt und durch die Technik bereichert wird. Andererseits wirkt er aber auch sehr emotional und abwechslungsreich, was jemandem wie Yngwie J. Malmsteen auf Dauer eben doch abgeht, wodurch Romeo diesen meiner Meinung nach sogar noch überflügelt. Zwischen High Speed Shreds, Sweeps und getappten Apreggios zeigt Romeo aber, dass er dies nicht braucht, um einen Song genial zu machen, beispielsweise in der Ballade „Paradise Lost“ merkt man, dass er sich auch im Hintergrund halten und einen Song schlicht begleiten kann.
Soviel also hierzu, doch nicht nur die Technik macht SYMPHONY X so groß, nein, auch die Atmosphäre, die die Band zu erzeugen weiß, spielte eine große Rolle für die Popularität, die man in entsprechenden Kreisen inzwischen erreicht hat. Ich würde allerdings nicht sagen, dass versucht wird, den Hörer durch irgendwelche Keyboardteppiche oder sonstiges damit zu erdrücken, viel eher muss man sich doch etwas einhören und mit den Texten beschäftigen, um diese wirklich mitzukriegen. Viel eher erzeugt man beim Nebenbeihören aber einfach oft gute Stimmung, was zum Beispiel bei den ziemlich ausgeflippten Leads von „Eve of Seduction“ deutlich wird. Nur die Songs „Oculus Ex Inferni“, „Paradise Lost“, „The Walls of Babylon“ und das finale, neunminütige „Revelation“ schlagen eindeutig einen dahin tendierenden Weg ein, wobei diese vor allem mit Bombast und Epik aufwarten, wiederum irgendwo Soundtrack-typisch eben. Einen richtigen Longtrack wie „The Divine Wings of Tragedy“ oder „The Odyssey“ von den alten Alben findet man hier indes aber nicht (und neun Minuten sind für Progressive Metal ja noch relativ im Rahmen).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass SYMPHONY X hier einmal mehr eines ihrer Meisterwerke abgeliefert haben, die man bei ihnen schon bevor ein neues Album angekündigt ist, erwartet. Der große Vorteil dieses Albums ist neben schon genannten Aspekten folgender: Man kann das Album in absolut jeder Situation anhören, ob man nun auf einer Party zu „Domination“ bangen , die atmosphärische Tiefe von „The Walls of Babylon“ aufmerksam genießen oder einfach nur mit offenem Mund den Technik-Demonstrationen auf dem Album lauschen will, in jeder Lage ist die komplette Scheibe zu empfehlen, entsprechend gibt es auch keinen Ausfall.
Wertung: 9 / 10