Review Sybreed – The Pulse Of Awakening

Obwohl sich das Jahr langsam dem Ende zuneigt, standen doch noch zwei oder drei Veröffentlichungen bevor, auf die man sich schon monatelang freuen durfte. Um genau so einen Release handelt es sich auch bei „The Pulse Of Awakening“, dem neuen Studio-Output der Schweizer Industrial Metal-Formation SYBREED. Das Quartett konnte bereits mit seinen ersten beiden Alben „Slave Design“ (2004) und „Antares“ (2007) Maßstäbe in Sachen europäischen Industrial Metals setzen – umso größer waren nun die Erwartungen an den Hattrick der Schweizer.
Und die können, so viel sei schon anfangs verraten, erfüllt und sogar größtenteils übertroffen werden. Das liegt zu einem kleinen Teil natürlich auch an der klaren (und deshalb leicht klinischen) Produktion von Rhys Fulber, der auch schon Alben von Bands wie Front Line Assembly, Paradise Lost und Fear Factory veredelte. Vor allem zu Ersteren und Letzteren werden SYBREED immer musikalische Ähnlichkeiten zugesprochen, die mit dem Mixing und Mastering von Fulber allerdings nicht auf die Höhe getrieben wurden.

Unverwechselbar bleibt sowieso Frontmann Ben mit seiner eigenwilligen – und durchaus auch gewöhnungsbedürftigen – Stimme, die einem beim Opener „Nomenklatura“ sofort entgegen prescht. Wo dieser Track noch gewohnte SYBREED-Kost bietet, wird mit dem darauffolgenden „A.E.O.N.“ richtig durchgestartet. Dieser Track erschien im vergangenen Juli nicht zu Unrecht zusammen mit dem ebenfalls neuen „Human Black Box“ und drei Remixes von „Emma-0“ als EP, denn hier offenbart sich zu einem Teil schon, warum SYBREED nicht nur in der Schweiz, sondern auch im europäischen Umland und sogar über den Kontinent hinaus über einen exzellenten Ruf verfügen. Wo im einen Moment noch die feinsten Industrial-Töne erklingen, schält die Stimmung im nächsten Monat um, Ben wechselt vom Klargesang zum Growling und bleischwere Gitarren-Riffs füllen den Raum.

In die höchsten Gefilde von Synthesizer- und Programmierungskünsten wird der geneigte Hörer dann mit dem Endzeit-Glücklichmacher „Doomsday Party“ katapultiert. Thomas, nicht nur der Mann am Sechssaiter sondern auch für die Programmierungen zuständig, kreiert hier eine ganz eigene Atmosphäre, die eng mit der Stimmvielfalt von Ben zusammenarbeitet – beides lebt praktisch voneinander, schafft ein Klangbild voller Gegensätze.
Nicht minder abwechslungsreich geht’s dann auch weiter. Neben „Human Black Box“ (hier wird mit einem geradezu rotzigen Gesang aufgewartet), wissen auch das apokalyptische „KillJoy“ und „I Am Ultraviolence“ zu überzeugen. Dem Titel gerecht werdend darf sich hierbei vor allem Drumfell-Zerstörer Kevin Choiral austoben – dabei entsteht ein Groove, der fast schon an Rob Zombie-Scheibe erinnert.
Nach einem bitterbösen und äußerst surrealen, ja fast schon lebensfeindlichen „Electronegativity“ (auch hier gibt’s ein schnell schwankendes Wechselbad der Gefühle, wieder vom Synthesizer getragen) steuern SYBREED mit „In The Cold Light“ in ruhigere Gefilde, gönnen dem Hörer eine kurze Verschnaufpause, die er nach dem bisherigen Ohrgasmus-Marathon auch nötig hat. Weil auch das Killing Joke-Cover „Love Like Blood“ und „Lucifer Effect“ (tolles Posaunen-Intro!) keinen Grund zur Kritik üben, bleibt am Schluss nur ein kleiner Wermutstropfen: der mit 19:19 Minuten längste Track des Silberlings, „From Zero To Nothing“. Obwohl hier zwar effektiv nur knappe neun Minuten Musik gemacht wird, steuert sich die Nummer gerade so durch einige Längen, die es eigentlich nicht gebraucht hätte.

Und trotzdem machen es einem SYBREED mit „The Pulse Of Awakening“ nicht wirklich schwer, ein Fazit ist schnell gefunden: Kaufempfehlung für alle, die guten Industrial Metal brauchen und schon auf das nächste Fear Factory-Album gespannt sind. Die Industrial-Giganten werden es nämlich verdammt schwer haben, das Werk der jungen Schweizer zu toppen – sollten sie sich damit nicht sogar restlos übernehmen. SYBREED klettern mit ihrem nunmehr dritten Studioalbum eine weitere Stufe ihrer Karriereleiter nach oben, verschieben ihre Messlatte erneut in die Höhe. „The Pulse Of Awakening“ lebt von den krassen Gegensätzen, Frontmann Ben und der Programmierkunst von Thomas, der futuristischen Atmosphäre und den vielen kleinen Nuancen, die nur nach mehrmaligem Hören greifbar werden – es dürfte in diesem Jahr nur selten ein Album gegeben haben, welches seinem Titel so gerecht wurde und tatsächlich pulsiert und lebt. Ganz großes Kino!

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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