Mit „Meteahna Timpurilor“ legten SUR AUSTRU 2019 ein interessantes Album zwischen Folk und Black Metal vor. Nichtsdestoweniger blieb das Debüt des Sextetts ein wenig hinter den hohen Erwartungen, die mit der Beteiligung dreier ehemaliger Mitglieder der rumänischen Vorzeige-Black-Metaller Negură Bunget einhergingen, zurück. Die knapp einstündige Nachfolgeplatte „Obârșie“ macht mit ihrem Textkonzept nun jedoch abermals neugierig: SUR AUSTRU setzen sich darauf mit den Solomonari auseinander – Sagengestalten der rumänischen Folklore, die der Magie kundig gewesen sein, Einfluss auf das Wetter genommen haben und auf Drachen geritten sein sollen. Dazu passend klingt das Album auch ein Stück abenteuerlicher als sein trotz seines ungewöhnlichen Stils beinahe unscheinbarer Vorgänger.
Im Grunde ist der musikalische Ansatz der Band auf ihrer zweiten Platte derselbe geblieben: Der Black Metal, den SUR AUSTRU spielen, ist von mittlerem Tempo und Härtegrad und über weite Strecken von Folk-Einflüssen in Form von beschwörendem Klargesang und Flöten durchdrungen. An beiden Fronten haben die Rumänen sich jedoch deutlich weiterentwickelt. Die klangliche Wucht extremerer Black-Metal-Vertreter wie Dark Funeral steuern SUR AUSTRU zwar nach wie vor nicht an, im Vergleich zu „Meteahna Timpurilor“ klingen die neuen Songs aber ein wenig imposanter, an manchen Stellen gar mächtig wie eine Naturgewalt („Taina“).
Das schwungvolle Drumming ist abermals eher geradlinig und nicht sonderlich spannend arrangiert, umso interessanter gestaltet sich jedoch das Gitarrenspiel. So findet sich zwischen den vielen packenden Tremolo-Riffs etwa im 13 Minuten langen, sich langsam erhebenden Opener „Cel Din Urmă“ gegen Ende ein lässiges, fast schon progressives Solo. Den urtümlichen Teil ihrer Musik setzen SUR AUSTRU hingegen noch verspielter und atmosphärischer in Szene. Allein schon mit den Flöten deckt die Band ein bemerkenswert breites Spektrum an Stimmungen ab – mal flattern sie leichtfüßig wie Vögel durch die Songs, mal vermitteln sie durch bodenständige Melodien Schwermut oder Mystik.
Auch die hölzernen Perkussionen, die beschwörenden Chorgesänge („Cant Adânc“) und die Saitenklänge, die wohl einer Zither entstammen („Codru Moma“), verleihen „Obârșie“ eine Aura zeitloser Bedeutsamkeit. So stimmig, wie SUR AUSTRU das Album aufgebaut haben, schließen sie es letztlich mit „Ucenicii Din Hârtop II“ ab: Mit elfenhafter Anmut tänzeln darin verspielte Clean-Gitarren über einem kraftvoll getragenen Unterbau – ein geradezu magischer Ausklang zwischen Kontemplation und Staunen.
Dass SUR AUSTRU nicht auf eingängige Einzeltracks oder schiere Brutalität setzen, zeigte sich schon auf „Meteahna Timpurilor“ und daran hat sich seitdem nichts geändert. Die Stärke der Band liegt vielmehr in der einnehmenden Atmosphäre ihres kreativen Stils. In dieser Hinsicht ist „Obârșie“ genau das Album geworden, das man sich nach der ersten Platte erhofft hat. Ob SUR AUSTRU den in den Herzen der Negură-Bunget-Fans vakant gewordenen Platz auszufüllen vermögen, bleibt zwar vorerst offen – für sich betrachtet weiß „Obârșie“ mit seiner organischen Produktion und seinen einfallsreichen, stimmungsvollen Kompositionen jedenfalls restlos zu überzeugen.
Wertung: 8 / 10