Lang lebe das Klische: Wenn Finnen langweilig ist, dann trinken sie oder machen Musik. Oder halt beides gleichzeitig. Kein Wunder, hört man sich mal so die Sprache der Männer und Frauen aus dem Norden an, denn mit ein paar Promille geht die bestimmt lockerer über die Zunge. Und wenn diese These stimmt, dann stecken in „Raja“, dem neusten, mittlerweile dritten Langspieler des finnischen Exports STAM1NA literweise alkoholhaltiges Gesöff.
Die vier Jungs aus Lemi mischen schon seit 1996 die finnische Musikszene auf. Erst als Stamina bekannt und mit englischsprachiger Musik im Gepäck änderten sie 2002 ihren Namen, um ihm größeren Wiedererkennungswert zu verpassen. Und schon ein Jahr zuvor trafen sie die Entscheidung, ab sofort nur noch Lyrics in der eigenen Landessprache zu verfassen. Die Rechnung ging auf, in ihrer Heimat sind STAM1NA mittlerweile Superstars und „Raja“ landete dort auch an der Spitzenposition der Charts. Jetzt kommt das Werk auch zu uns in den Süden und schickt sich an, die Herzen der metalbegeisterten Menschen von Zentraleuropa zu gewinnen.
Was für einen Stil STAM1NA spielen ist erst mal gar nicht so einfach festzumachen. Elemente aus Speed, Thrash und Heavy Metal verbinden sich hier mit einer relativ punkigen Dynamik und einer sehr trinkfreudigen Ausrichtung der Musik (von Zeit zu Zeit fühlte ich mich entfernt an Klamydia oder sogar Eläkeläiset erinnert, wobei sicher niemand bestreiten wird, dass die Musik auf „Raja“ wesentlich härter ist) zu etwas, das ich in Ermangelung eines besseren Namen einfach mal „Crossover“ nenne. Und der hat’s in sich.
Nach einer kurzen Exposition holzen STAM1NA mit „Hammasratas“ schon los, als ob es kein Morgen gibt. Das Beeindruckendste dabei ist wohl das Organ von Vokalist und Gitarrero Antti Hyyrynen, der die Texte in seiner Muttersprache teilweise so schnell herunterfetzt, dass einem wahrlich schwindelig werden kann. Ehrlich, dass der Mann nicht dreimal pro Takt über seine eigene Zunge stolpert, grenzt an ein Wunder. Die Geschwindigkeitssphären, in denen STAM1NA sich herumtreiben, sind eh relativ hoch angesiedelt, nur selten wird der Doublebass-Teppich mal zugunsten von etwas Epik eingepackt, aber diese Momente gibt’s auch, zum Beispiel im genialen Refrain von „Vartijaton“.
Da liegt aber auch der Hund begraben. Allgemein sind die Refrains eine verdammt tolle Sache, melodisch, hymnenhaft, wenn man die Sprache beherrschen würde, wären die bestimmt grandios zum Mitgröhlen. Aber das dazwischen… Hmja. Die Strophen machen irgendwie einen unguten Lückenfüller-Eindruck, als hätte man irgend was gebraucht, damit’s zwischen einem Refrain und dem nächsten nicht so ruhig ist. Man merkt schon, dass STAM1NA sich bei ihrem Songwriting mehr auf die eingängigen Refrains konzentriert und den Rest der Songs etwas außenvor gelassen haben, denn die klingen zu allem Überfluss auch noch ein wenig wie aus der Klonmaschine. Da helfen auch die selten eingebauten Keyboard-Klänge nicht viel, denn die haben auch noch die komische Angewohnheit, völlig neben dem Takt her zu klimpern, so dass ich beim Hören mehrfach schon halb vom Stuhl aufgestanden war, um zu schauen, wer denn da schon wieder bei mir an der Tür geklingelt hat, ehe ich merkte, dass das Geklimper da vom Band kam. Zum Glück hält sich diese Taktlosigkeit aber wie gesagt in Grenzen.
So vergehen die 43 Minuten und ein paar Zerquetschte, die „Raja“ dauert, wie im Flug. Langeweile kommt keine auf, alles geht gut ins Ohr. Dummerweise aber auch alles abgesehen von den netten Refrains wieder aus dem anderen raus. Bis sich irgend was festgesetzt hat, vergehen einige Durchläufe. Und selbst dann ist das, was STAM1NA an Strophenparts, Bridges und Soli spielen nicht die Offenbarung schlechthin. Versteht mich nicht falsch, es wird absolut niemandem weh tun, „Raja“ zu besitzen, denn es ist ein nettes Album mit ein paar schönen Refrains. Aber die Welt verändern wird diese CD nicht.
Wertung: 7 / 10