SPINDRIFT sind nicht von dieser Welt, „Ghost Of The West“ ist es schon mal gar nicht. Ich nehme an, die Geister gequälter Cowboy-Seelen haben die Führung während den Aufnahmen übernommen. Oder so ähnlich. Jedenfalls ist dieses Album, welches gleichzeitig auch den Soundtrack zu einer Dokumentation darstellt, so fernab von konventioneller Musik, dass es einem tatsächlich einen kalten Schauer über den Rücken jagen kann. Dieses Werk macht Angst. Ich stelle mir vor, ich würde durch einen nebeligen Schleier blicken, hinter dem ein einsamer Gesetzloser am Feuer sitzt, durch die Prärie reitet, Geisterstädte durchquert und am Ende seiner Schusswunde erliegt. Diese unheimliche, bedrückende Atmosphäre macht dieses Album zu einem wertvollen Erlebnis. Dazu jetzt mehr.
Nüchtern betrachtet bietet „Ghost Of The West“, um das Pferd nicht verkehrt herum aufzuzäumen, eine krude, staubige Mischung aus Psychedelic Rock, bluesigen Einsprengseln und Western-Mukke, vor allem Freunde von Spaghetti-Western dürfen jetzt Luftsprünge machen. Wenn der geneigte Leser sich nun einen solch absurden Stilmix absolut nicht vorstellen kann, dann ergeht es ihm so wie es mir erging – und auch jetzt, mehrere Durchläufe später, scheint diese Musik kein bisschen greifbarer geworden zu sein. Das liegt durchaus auch an der bedrückenden Melancholie, die selbst durch teils „fröhliche“ Melodien nicht durchbrochen wird; selbst diese wirken im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Elementen schon fast morbide und gefährlich. Das Gesamtbild wird darüber hinaus von diversen Puzzelteilen geprägt: Der tiefe Gesang, den man am besten als eine Mischung aus Cash und Morrison bezeichnen könnte, die flirrenden Gitarren, abwechslungsreiche, meist düstere, knochentrockene und verquere Melodien, die größtenteils abstrusen Effekte und Soundkulissen, welche beinahe schon eine Horrorfilmatmosphäre schaffen – „Ghost Of The West“ bietet all das und noch viel mehr.
Obwohl man den Songs anmerkt, dass sie für einen Soundtrack konzipiert wurden – vor allem erkennt man das an den kurzen Laufzeiten, die oft nicht mal drei Minuten überschreiten – wirkt „Ghost Of The West“ rund und in diesem Genre konkurrenzlos. Die einzelnen Stücke bieten eine breite Spannweite verschiedener Stimmungen und träumerischer Szenarien: Bei „Buffalo Dream“ muss man unweigerlich an eine Indianerzeremonie denken, das wunderbare „Cool Water“ (Höhepunkt!) hätte man auch auf einer B-Seite der Doors finden können während „Blood On The Saddle“ durch seinen Spaghetti-Western-Charme hervorsticht. Die wabernden Effekt-Kulissen rücken diesen hervorragend verqueren Song in ein psychedelisch-abgehobenes Licht. „When I Was A Cowboy“, klingt verdächtig nach abgenudelter Schallplatte und ist eigentlich ungenießbar, „Ghosts Go West“ kommt dafür als arschcoole Instrumentaleinlage um die Ecke. Eine tatsächlich fast ausgeglichene Stimmung wird bei „Wanderers Of The Wasteland“ erzielt – ein Lichtblick, ebenso wie das verdammt entspannte „Navajo Trail“. Bei „Ghost Riders In The Sky“ wird der Gitarren-Colt dann letztendlich einen Tacken zu verzerrt gezockt; das will irgendwie nicht so recht ins Konzept passen, lässt sich aber locker skippen.
Was bleibt, ist ein Album voller Begegnungen, Erfahrungen, Höhen und Tiefen. Lagerfeuerromantik, Duelle bei Sonnenuntergang, einsame Ritte durch gespenstige Ortschaften, die Vielfalt ist beeindruckend. SPINDRIFT haben es tatsächlich geschafft, mir diesen kruden, abgefahrenen Mix schmackhaft zu machen und jetzt bekomme ich nicht mehr genug davon. Die Stimmung des „dreckigen Westens“ wurde schlicht und ergreifend perfekt eingefangen und dieses in sich stimmige Album katapultiert den offenen Hörer (der man letztendlich auch sein muss, um an diesem Album gefallen zu finden) schnell in die Vergangenheit, als das Gesetz noch vom Colt geschrieben wurde; Unentschlossene sollten dringend „The Matador And The Fuzz“, „Cool Water“ und „Blood On The Saddle“ anchecken. SPINDRIFT haben mich mit wenigen Abstrichen umgehauen, Soundtrack hin oder her. Und jetzt tauche ich wieder ein.
Wertung: 8.5 / 10