Review Sonata Arctica – Unia

Kennt ihr das? Ein langjähriger, treuer Weggefährte und guter Freund verändert sich scheinbar plötzlich. Wird erwachsen, ernster, setzt andere Prioritäten und einem selbst fällt es vor allem zu Beginn allzu schwer, damit klar zu kommen. Man befindet sich an einem Scheideweg – kommt man zurecht und kann die Freundschaft weiterhin bestehen oder trauert man den guten alten Zeiten hinterher?

SONATA ARCTICA begleiten mich nun seit ihrem ersten Langspieler „Ecliptica“ und auf eines konnte ich mich immer verlassen: Die Finnen spielten Album für Album melodischen High-Speed-Power-Metal, der bestens ins Ohr ging und mit einer liebenswerten Naivität, Verspieltheit und eigenen Note erfreute. Die typische Happy Metal-Band waren die Mannen um Tony Kakko noch nie und mit dem 2004er Vorgänger „Reckoning Night“ kündigte sich schon die ein oder andere Kurskorrektur an. Einige Lieder waren getragener, rockiger und theatralischer als zuvor, die Hochgeschwindigkeitsnummern nehmen zwar immer noch einen großen Teil ein, müssen neben sich aber Platz für gemäßigtere Klänge schaffen.

Nun, anno 2007, machen SONATA ARCTICA einen überaus mutigen und gewagten Schritt nach vorne. „Unia“, zwölf Lieder stark und eine Stunde lang, wirft vieles über Board: Keine einzige der typischen Highspeed-Nummern, keine Naivität, kein Easy-Listening, kaum Eingängigkeit. Die finnischen „Träume“ werden zur Zerreißprobe für die Anhängerschaft. Nicht nur die optische Komponente ändert sich also mit einem erstmals erdigen und nicht-kitschigem Frontbild, auch akustisch hat sich einiges getan. Sehr viel sogar.

Düstere Gitarren und spärlicher, aber kontrastreicher Keyboardeinsatz erklingen, wenige Sekunden später überrascht uns ein wütend und sanft zugleich im Duett mit sich selbst singender Tony Kakko. „In Black And White“ leitet die Traumphase ein und entwickelt sich schnell zu einer begeisternden Rockoper. Gleich darauf folgt die erste Single „Paid In Full“ als eingängigste Nummer des Albums und ebenso eine der besten. Schon zu diesem frühen Zeitpunkt ist klar, dass „Unia“ ein tiefgehendes, emotionales Album geworden ist, sowohl lyrisch als auch musikalisch. „Paid In Full“ bietet einen Text, den die meisten wohl auf eine Phase ihres Lebens projizieren können und Tony Kakko bringt die sowohl melancholische als auch hoffnungsvolle Stimmung des Textes perfekt rüber. Überhaupt scheint der Frontmann durch den Wegfall der Geschwindigkeit aufzublühen, er singt emotional wie nie, mit solcher Hingabe und Inbrunst wie man es selbst von den bisherigen Balladen der Band noch nicht kannte.

Der Einstieg mit den beiden Songs fiel noch relativ leicht, „Unia“ aber verlangt von nun an vollste Aufmerksamkeit und fordert den Hörer unerwartet stark. „My Dream’s But A Drop Of Fuel For A Nightmare” ist so vertrackt und progressiv wie sein Name, „Caleb“ ist ohne Refrain keine leichte Kost und „The Worlds Forgotten, The Words Forbidden“ erdrückt mit seiner düsteren Grundstimmung und den teilweise elektronisch verzerrten Vocals beinahe. Auf alle Einzelheiten einzugehen unterlasse ich hier mal, es würde den Rahmen sprengen, da man über jedes Lied einiges erzählen könnte. Jedes hat seine Stärken und Eigenheiten und sie sind anfangs durchaus bockig, stur und sperrig.

Etwas Weiteres haben alle zwölf Stücke aber auch noch gemeinsam: Nach und nach erschließt sich jedes einzelne, wächst und präsentiert ungeahnte Stärken. SONATA ARCTICA lassen die Theatralik und Dramatik von Queen einfließen (u.a. „Fly With The Black Swan“) und lassen obgrund ihrer Entwicklung an Blind Guardian denken, die von „Nightfall In Middle-Earth“ zu „A Night At The Opera“ einen im Verhältnis gesehen ähnlich großen Sprung hin in die progressive Richtung wagten und damit alte Anhänger verprellten und neue hinzugewannen. SONATA ARCTICA wird es mit Sicherheit ebenso ergehen. Qualitativ hat sich der Sprung jedenfalls gelohnt, „Unia“ ist ein erwachsenes und großes Album, womit sie sich als einzigartige Band an der Spitze des Genres festsetzen. Die Frage ist, wie viele Fans den neu eingeschlagenen Weg mitgehen oder lieber wehmütig zurückblicken. Anfangs gefiel es mir selbst nicht recht, aber man muss dem Album eben einfach seine Zeit geben.

Ein kleiner Trost für die „alten“ Fans: Das Album endet mit „Good Enough Is Good Enough“ in einer SA-typischen Ballade und lässt am Ende einen sinnfreien Hidden Track folgen. Ist also doch nicht alles anders…

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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