Cover-Artwork des Albums 40 Years At War The Greatest Hell Of Sodom der Band Sodom

Review Sodom – 40 Years At War – The Greatest Hell Of Sodom

  • Label: Steamhammer
  • Veröffentlicht: 2022
  • Spielart: Thrash Metal

Zwei umfangreiche History-Doppel-DVDs, ein großes Boxset zum 30-jährigen Bestehen, gar eine erweiterte Neuaufnahme der ersten EP in deren Original-Line-up – Tom Angelripper hat mit zunehmendem Alter seiner Combo SODOM den Blick auch immer wieder gerne mal in die Vergangenheit gerichtet und an der Pflege des eigenen bisherigen Vermächtnisses gearbeitet. Und warum auch nicht? Zum einen muss man 40 Jahre als Band erst mal schaffen, auch wenn Angelripper selbst schon seit 1992 das einzige verbliebene Gründungsmitglied ist – er hat den Laden vier Dekaden am Laufen gehalten. Zum anderen kam in den letzten Jahren auch stets neues Material heraus: Allein seit dem grundlegenden Besetzungswechsel im Jahr 2018 waren es fünf EPs und mit dem gerade einmal knapp zwei Jahre alten „Genesis XIX“ ein starkes Studioalbum.

Von reiner Vermächtnispflege kann bei SODOM also trotz aller Rückbesinnung ästhetischer, stilistischer und personeller Natur keine Rede sein. Diese Feststellung trifft auch auf die neueste Veröffentlichung „40 Years At War – The Greatest Hell Of Sodom“ zu. Klingt wie eine Compilation, ist aber nur bedingt eine: Zwar findet sich mit „1982“ lediglich ein einziger neuer Track auf dem Release – und der ist in der Standard-CD- bzw. 2LP-Version nicht mal enthalten –, doch wurden die anderen, bereits bekannten Stücke neu eingespielt. Angelripper lässt wissen: „Unser Ziel war es, von jedem unserer bisherigen Alben jeweils einen Song neu aufzunehmen. Nicht unbedingt die offensichtlichsten, sondern auch Raritäten oder Tracks, die wir nie oder sehr selten live gespielt haben.“

Dieses Ziel hat das Quartett unterm Strich erreicht. Zwar sind „City Of God“ vom selbstbetitelten 2006er Output sowie „In War And Pieces“ vom gleichnamigen 2010er Album seit ihren Veröffentlichungen regelmäßig in Setlists vertreten, passen also nicht so recht in obige Kategorien (und „Sepulchral Voice“ stammt streng genommen nicht von einem Album, da es auf der Debüt-EP „In The Sign Of Evil“ zu finden ist). Doch die meisten der hier vorhandenen Tracks haben Zweite-Reihe- bis obskuren Charakter und wurden entweder nie, nicht mehr seit der Tour zur zugehörigen Platte oder erst wieder kürzlich oder im vergangenen Jahr live performt. Über die Songauswahl selbst darf man leidenschaftlich streiten, denn im Gegensatz zu Publikumslieblingen mit Konsens-Charakter gehen die Meinungen und persönlichen Präferenzen unter den Fans hinsichtlich rarer Songs naturgemäß auseinander.

Dessen ungeachtet ist es eine Freude, Stücke aus den früheren Tagen wie „After The Deluge“ oder „Electrocution“ in zeitgemäßer Qualität zu hören. Auch später aufgenommene Tracks wie „Gathering Of Minds“ und „Ashes To Ashes“, die unter der schwachen Produktion der Alben, von denen sie stammen, kranken, kann man nun mit druckvollem, knackigen Sound genießen. Dass sich SODOM beim Sich-selbst-Covern im Hinblick auf Arrangements, Tonart und Texte strikt an die Originale gehalten haben, kann man als zu streng oder eben konsequent auslegen. Doch allein dadurch, dass die Songs vom aktuellen Line-up eingespielt wurden, tönen sie mit einem frischen Wind aus den Boxen. Selbst „Euthanasia“ vom 2020er Longplayer, das man schnell als „Opfer des Albumkonzepts“ abtun möchte (nötig für die Vollständigkeit von „40 Years At War“, doch wozu nach nicht einmal zwei Jahren eine Neuaufnahme?), klingt im Vergleich zur „Genesis XIX“-Version kraftvoller. Der neue Track „1982“ ist solider SODOM-Standard, der zweieinhalb Minuten im stampfenden bis flotten Midtempo verweilt und sich in der letzten Minute zu einem stürmischen Uptempo-Thrasher à la Slayer verwandelt. Eher ein Nice-to-have als ein Must-have, das den Tribute-Release konzeptuell abrundet und immerhin auch auf der digitalen Version des Albums zu finden ist.

Dass sich die Anschaffung eines umfangreichen Boxsets mit Digipak, Doppel-LP, Bonus-EP, Tape, 72-seitigem Buch und allerlei Fan-Goodies wie Postern, Stickern oder Autogrammkarten nur für absolute Liebhaber lohnt, versteht sich von selbst. Doch das macht die Standard-CD/LP-Edition, die „nur“ die 17 neu eingespielten, bereits bekannten Songs umfasst, noch nicht zu einem lauen Aufguss oller Kamellen. „40 Years At War – The Greatest Hell Of Sodom“ bietet eine Werkschau abseits der üblichen Verdächtigen wie „Agent Orange“, „Outbreak Of Evil“ oder „M-16“, die Old-School- sowie neueres Material in gleichem Maße berücksichtigt. Dieses kommt in einheitlichem, sattem, zeitgemäßem Sound daher und wurde von einem Line-up eingespielt, dem man Spielfreude und Tightness anhört, aber nicht, dass der Sänger 2023 die 60 knackt. Insofern kann man SODOM hier durchaus zugutehalten, dass sie ein für Fans attraktives Jubiläumspaket geschnürt haben und auch für die Basis-Edition eine Empfehlung aussprechen.

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