Den Anstoß dazu dieses Review zu schreiben habe ich durch den fantastischen Kurzfilm „C’était un rendez-vous“ von Claude Lelouch aus dem Jahre 1976 bekommen. Eher nebenbei habe ich festgestellt, dass SNOW PATROL diese auf Zelluloid gebannten Bilder als Musikvideo für ihren Titel „Open Your Eyes“ benutzt haben. Dieses ist der zehnte und längste Titel auf ihren mittlerweile nicht mehr aktuellen Album „Eyes Open“ aus dem Jahr 2006 und ich möchte mit diesem auch beginnen. Während mich das Lied unterschwellig an den vergangenen Frühsommer zu erinnern scheint, bildet dieses Musikvideo eine ungeahnt perfekte Symbiose zweier Kunstwerke, die sich nach vielen Jahren gefunden zu haben scheinen. Die Klänge und Bilder passen wie Puzzlestücke ineinander. Der Film zeigt in knapp neun Minuten eine halsbrecherische Fahrt durch das frühmorgendliche Paris an einem Sonntag im August, wobei die Kamera an der Stoßstange eines Mercedes-Benz 450 SEL 6.9 befestigt ist und die Szenerie ohne Schnitt gezeigt wird. „Open Your Eyes“ beginnt mit einem vertrauten Beat, ruhigen Gitarren und der sanften aber kraftvollen Stimme von Gary Lightbody, während der Wagen über die großen Prachtstraßen von Paris gleitet, um sich immer mehr zu steigern. Das Spiel mit Laut und Leise ist natürlich keine neue Erfindung und doch ist man immer wieder freudig erstaunt, wenn es wirklich gelingt. Die letzten Meter durch enge, verwinkelte Gassen. Gemäß den Liedtitel mit geöffneten Augen voller Vorfreude auf den Sonnenaufgang und die Geliebte, die den Fahrer erwartet. Ist das nicht ein Traum? Am Steuer eines seit jeher für Erhabenheit und Majestät stehenden Autos durch eine noch verschlafene Stadt auf den Weg zu der einzig richtigen zu sein? Dies ist der Soundtrack dazu.
Geliefert wird er von SNOW PATROL, eine Band mit Mitgliedern aus Belfast und Glasgow, die bereits seit 1997 besteht, aber in Deutschland sehr lange auf ihren Durchbruch warten musste. Dieser gelang erst Ende 2006, als „Chasing Cars“ auf Platz 12 der deutschen Media Control Charts einstieg, während man auf der Insel schon seit 2004 einen sehr guten Namen hat. Vor allem im Radio wurde es monatelang rauf und runter gespielt. Das vollkommen zu Recht, denn auch wenn in jüngster Vergangenheit Balladen oft sehr leichtes Spiel hatten um Erfolg zu haben, klang und klingt „Chasing Cars“ frisch und unverbraucht. Selbst wenn der Text keinen besonderen Tiefgang hat, schafft er es dafür umso mehr zu berühren, was von der Musik wundervoll unterstrichen wird. Wenn man es genau nimmt ist es eine Halbballade, denn das letzte Drittel verkörpert gleichzeitig Kraft und Freiheit.
Man hat aber noch weit mehr zu bieten, beispielsweise den Opener „You’re All I Have“, der mit einer großen Portion Stadionrock gewürzt ist und den Einstieg leicht macht – abgesehen von den etwas nervigen „uh uh uh“-Gesängen. Mit sauber produzierten Gitarrenteppichen mauert man sich selbst eine gute Basis für eine Hand voll großartigen Songs, die alle nicht von ihrer Einzigartigkeit leben, aber von ihrer Frische. Das Meer an britischen Indie / Alternative Bands ist mittlerweile so unüberschaubar groß, dass man fast schon froh sein kann, dass SNOW PATROL kein „The“ vor ihren Namen platziert haben und irgendwie klingen viele einfach sehr ähnlich. Abzustreiten ist das auch hier nicht ganz, doch während andere im Sumpf untergehen, machen es sich die fünf Jungs das zu einer Trumpfkarte, die sich „Vertrautheit“ schimpft. Man überfordert nicht, benutzt keine komplett neuen Songstrukturen, aber ist dafür umso spritziger, dass man keinen Vorwurf erheben kann.
Ich bin immer wieder in einen Zwiespalt. Natürlich ist das ganze sehr massentauglich ausgelegt, aber warum nicht trotzdem toll finden? Spätestens bei „Set the Fire to the Third Bar“ hört man auf sich über so etwas Unwichtiges den Kopf zu zerbrechen und geniest nur noch. Es funktioniert: Man nehme eine bezaubernde, mit einer wundervollen Stimme gesegnete Martha Wainwright, gezupfte akustische Gitarren, hier und da ein Piano, sparsame Perkussion und man hat das absolute Highlight auf diesen Album gefunden, das fast schon Grund genug ist die CD zu kaufen und für eben diesen Song gleich noch einen Beutel Teelichter, sowie bei ausreichender Liquidität eine alte S-Klasse dazu.
Wertung: 8.5 / 10