Slipknot - The End, So Far

Review Slipknot – The End, So Far

Als SLIPKNOT ihr nächstes Album ankündigten, war die Verwirrung unter ihren Fans groß. Das lag nicht vorrangig daran, dass offenbar bis zuletzt nicht ganz klar war, ob das Werk nun „The End For Now …“ oder „The End, So Far“ heißen sollte (zunächst war ein Cover mit ersterem Titel geleakt worden), sondern an der naheliegenden Frage, die der Titel aufwirft: Kündigt hier eine der größten Bands des modernen Metal mit ihrem siebten Album zugleich ihr eigenes Ende an?

Natürlich nicht, wie Corey Taylor den gelungenen PR-Coup bald auflöste: „Das ist einfach nur das Ende eines Moments“. Und doch markiert das Album wohl das Ende einer Ära. Der Vertrag mit dem dereinst legendären Nu-Metal-Label Roadrunner Records, zu deren Roster SLIPKNOT seit ihrem Debüt-Album gehören, ist nun erfüllt, eine weitere Zusammenarbeit nicht zu erwarten. So gesehen wäre jetzt ein guter Zeitpunkt gewesen, um abzutreten – aber was heißt schon „guter Zeitpunkt“. Den vergrätzten Oldschool-Fans käme dieser Schritt um einige Alben zu spät, und wenn es nach den Fanboys und -girls ginge, dürften SLIPKNOT nie aufhören.

Betrachtet man nüchtern die Qualitätskurve der Band, stellt man fest: Die Entscheidung von SLIPKNOT ist konsequent. Denn „The End, So Far“ ist weder ein Höhepunkt, der sich als Schlussakkord aufdrängt, noch ein Tiefpunkt, von dem aus es nicht mehr weitergeht. Das liegt daran, dass das Album zwar vielseitig, in seiner Vielfalt aber zugleich vorhersehbar ist. So lassen sich alle zwölf Stücke in eine der folgenden drei Kategorien einteilen: (1) harte Songs mit weichem Kern; (2) sanfte Songs mit Wutausbruch und (3) echte Überraschungen.

In letztere Kategorie fällt gleich der Opener „Adderall“. Aus düsteren Sounds erwächst hier ein (post-)rockiger Song mit 1970’s-Flair, wie man ihn eher bei Coreys Soloprojekt CMFT erwartet hätte. Ein Vibe, der später in „Acidic“ nochmal aufkommt – dort allerdings aufgrund der sehr präsenten Percussions mit merklich mehr SLIPKNOT-DNA. Beide Songs sind zweifelsfrei die spannendsten des Albums – dürften aber zugleich die unter Fans umstrittensten Nummern sein.

Deutlich mehr im Sinne der Maggots dürften die Stücke der Kategorie „harter Song mit weichem Kern“ sein. Davon gibt es zur Freude aller Fans der frühen SLIPKNOT-Alben auf „The End, So Far“ eine ganze Menge – allen voran die beiden ersten Singleauskopplungen, „The Dying Song (Time To Sing)“ und „The Chapeltown Rag“. Bei ersterem greifen Härte und Melodik perfekt ineinander, was „Vol. 3“-Vibes aufkommen lässt. Zweiterer kommt sogar fast gänzlich ohne melodisches Element aus und erinnert damit mehr an „Iowa“ als quasi alles, was SLIPKNOT seitdem veröffentlicht haben. Dass SLIPKNOT selbst die schnellsten und bösesten Stücke – namentlich „Warranty“ und „H377“ – mit Groove-Bridges oder Klargesang brechen, ist schade: Nicht jeder Song müsste zwingend einen Twist haben – manchmal tut es auch ein straighter Prügelsong. Der Mut zu solchem Stumpfsinn hätte gerade diesen ansonsten bärenstarken Nummern gut getan. Auch rangieren leider nicht alle härteren Songs auf diesem Level. „Hivemind“ klingt in seiner Kombination aus verstörendem Intro, hartem Mainriff und Cleangesang-Refrain im schlechten Sinne „schonmal gehört“ und auch „Heirloom“ mit seiner sperrigen Gesangsführung bleibt blass.

Bleiben noch die „sanften Songs mit Wutausbruch“, die – im Guten wie im Schlechten – diesmal keine Herzschmerz- oder Hitballade beinhalten. „Yen“, als dritte Single ausgekoppelt, beginnt zwar im „Vermillion“-Style, wird dann aber doch ein Stampfer mit allen SLIPKNOT-Attributen (Groove, Scratching, Klargesangs-Refrain). Atmosphärisch stärker, wenngleich dem selben Schema folgend, sind „Medicine For The Dead“ und das ideenreiche „De Sade“. Ausgerechnet im „Finale“ hingegen driften SLIPKNOT dann von Streichern und Piano begleitet doch noch in Richtung Kitsch ab.

Man kann SLIPKNOT vieles vorwerfen: wie mit Joey Jordison umgegangen wurde, dass Chris Fehn wie ein einfacher Angestellter entlassen wurde, oder wie die Kommerzialisierung der Band – etwa in Form der weltweiten Knotfest-Vermarktung – vorangetrieben wird. Eines kann man SLIPKNOT jedoch nicht unterstellen: Mit „The End, So Far“ ein liebloses Album abgeliefert zu haben, um endlich aus dem Vertrag mit Roadrunner zu kommen. Auch das siebte Full-Length der Maskenmänner ist ein künstlerisch anspruchsvolles, detailreiches Album geworden, auf dem SLIPKNOT den mit „We Are Not Your Kind“ (2019) eingeschlagenen Weg weiter verfolgen. Das bedeutet: mehr Härte als zwischen „Vol.3“ und „.5“ und, wo es melodisch wird, weniger Pop-Pathos. Dass das auf Kosten der Eingängigkeit geht, ist nicht automatisch ein Makel. Schade ist jedoch, dass SLIPKNOT sich bei aller Rückbesinnung auf alte Tugenden keine reinen Knüppelsongs mehr zu schreiben trauen – gleichzeitig aber auch nur wenig echte Experimente wagen. So gibt es auf „The End, So Far“ neben echten Killern auch einige nach Schema F komponierte Filler, aber nur wenig Unerwartetes zu hören.

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Wertung: 8 / 10

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4 Kommentare zu “Slipknot – The End, So Far

  1. Als langjähriger Maggots-Fan finde ich dass „The End So Far“ im Grunde von jedem was hat, wie bereits oben erwähnt. Sei es Iowa oder, We Are Not Your Kind, etc. Ich freue mich riesig auf Hamburg wenn sie da auftreten, bzw. auch auf alles was musikalisch noch kommt von Slipknot.
    Man bedenke zumal was die Jungs schon durchgemacht aber auch geleistet haben, von daher meinen allerhöchsten Respekt.

  2. Bin gespannt auf das Album. Die Review bestätigt sowohl meine Erwartung als auch die Entwicklung über die letzten Jahre: Ein paar geile Songs sind schon drauf, den Rest kann man getrost vergessen. Wie etwa Korn ist Slipknot in dem Sinne eine klassische Playlist-Band, wo wohl die wenigsten ein ganzes Album am Stück durchhören. Dafür sind mir persönlich immer zu viele Filler und lahme Nummern dabei.

    1. Ach, ich finde, das ist arg fatalistisch betrachtet. Einige der neuen Songs brauchen sich absolut nicht vor Material von „Iowa“ oder dem selftitled album verstecken.

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