Review Slipknot – All Hope Is Gone

Nachdem SLIPKNOT ihr Fanlager mit „Vol.3 – The Subliminal Verses“ erst gespalten und durch jahrelanges Touren schließlich doch auf das Material eingeschworen hatten, war es um die Band aus Iowa ruhig geworden. Zwar trat das eine oder andere Mitglied gelegentlich in Erscheinung – Joey Jordison etwa als Aushilfsdrummer bei Ministry und Korn, oder Corey und James mit neuem Material und ausgiebigen Touren ihrer Rock-Band Stone Sour. Die Maschinerie SLIPKNOT hingegen schien stillzustehen. Doch weit gefehlt: Tief im Innersten des Systems luden sich neun Hochleistungsakkus auf und sammelten Energie, um im richtigen Moment das Chaos erneut zu entfesseln. Nun lassen SLIPKNOT die Motoren aufheulen, um die Welt mit „All Hope Is Gone“ ein weiteres, vielleicht letztes Mal zu überrennen.

Die ersten Klänge, die man von SLIPKNOT nach sieben Jahren zu hören bekommt, sind einer langsam anschwellenden Sirene, unterlegt von wirren Stimmen. Dazu gesellt sich ein schnell in den Mittelpunkt rückendes Schlagzeug. Als dieses schließlich alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, brechen alle Instrumente überraschend weg und eine Gitarre setzt mit dem ersten Riff des Albums ein. Der erste Song, „Gematria“, reißt von Beginn an mit und gibt erste Hinweise auf das, was noch kommen wird: Das Stück ist aggressiv und groovt mehr als „Vol. 3“ – vor allem aber wurden die Gitarren insgesamt aufgewertet. Ein Eindruck, der sich im Verlauf von „All Hope Is Gone“ bestätigt: Das Album ist riffbetonter, die Idee der klassischen Lead-Gitarre wurde öfter als früher bemüht. Gitarren-Soli und Lead-Melodien – bisher bei SLIPKNOT eher selten zu finden – stehen zwar nach wie vor nicht grade im Mittelpunkt der Songs, sind aber doch ein Faktor in nahezu jedem Lied. Dadurch wirken die Stücke offener und luftiger, büßen aber bisweilen den für SLIPKNOT typischen, brachialen Charakter ein.

Den drastischsten Wandel im Vergleich zu den bisherigen SLIPKNOT-Veröffentlichungen hat jedoch Coreys Gesang durchgemacht: Unerwartet oft muss das herkömmliche aggressive Screaming seiner Cleanstimme weichen. So könnten etwa das ruhige „Dead Memories“ oder das streckenweise sehr rockige „Vendetta“ nahezu unverändert auf „Come What(ever) May“ unterkommen, während die Ballade „Snuff“ an Stone Sours „Through Glass“ erinnert. Die Gesangslinien sind dabei teilweise bemerkenswerte Berg- und Talfahrten durch das durch die Arbeit mit Stone Sour hörbar trainierte Stimmspektrum des Frontmannes. Nicht alle wollen jedoch so gut ins Ohr gehen wie bei „Psychosocial“: Bisweilen wirkt die Gesangsführung zu bemüht experimentell („Wherein Lies Continue“). Umso eingängiger sind dafür die Hau-Drauf-Passagen ausgefallen, in denen oftmals mehrere sich überlagernde Gesangsspuren plus Backingvocals der beiden Percussioniste zusammenwirken. Auch hierfür ist „Psychiosocial“ das Paradebeispiel: Der Song hat nämlich nicht nur Ohrwurm-Qualitäten, sondern ist dank eines formidabel stampfenden Mainparts auch das Groove-Monster des Albums.

Ein Ruhepunkt des fast einstündigen Albums ist auf der anderen Seite der Härteskala „Gehenna“, das stark an den Titeltrack und Ausklang des Albums „Iowa“ erinnert: Wenngleich der Song mit seinen schleppenden Melodien und der doomigen Atmosphäre nicht ganz an jene als Vergleich herangezogene Nummer herankommt, ist der Song doch ein Highlight auf „All Hope Is Gone“. Die Problemzone des Albums liegt vielmehr „dazwischen“: In den nicht mit Volldampf harten, aber eben auch nicht bedrohlich ruhigen Nummern, die das gewisse Etwas vermissen lassen, das sie unentbehrlich gemacht hätte: Das rockige (aber nicht rockende) „Butcher’s Hook“ ist hier als Paradebeispiel zu nennen, aber auch das etwas zu stumpfe „The Cold Black“ oder das dröge „Wherein Lies Continue“. Erst der Titeltack „All Hope Is Gone“ als Albumabschluss nach der erwähnten Ballade „Snuff“ weiß wieder voll und ganz zu überzeugen: Brutal, brachial und doch auf gewisse Art und Weise filigran ist der Rausschmeißer ohne Frage der typischste SLIPKNOT-Track des Albums.

Mit „All Hope Is Gone“ haben SLIPKNOT den Spagat zwischen Weiterentwicklung und Rückbesinnung auf alte Werte gewagt. So belehren die Neun aus Des Moines all jene eines Besseren, die die Band mit „Vol. 3“ auf dem Weg zum massenkompatiblen Mainstream-Metal sahen: SLIPKNOT können auch 2008 noch aggressiv und emotionsgeladen klingen, zugleich aber subtiler und filigraner als je zuvor. Was „All Hope Is Gone“ fehlt, ist die Konstanz: Unter den zwölf Tracks des Albums sind die Hits, die in keiner Setlist mehr fehlen werden, so schnell auszumachen wie die Lückenfüller, die es nie auf die Bühne schaffen werden (und keine atmosphärisch tragende Rolle im Albumkontext spielen). Das geht zu einfach, ist zu offensichtlich – und führt nach knapp 60 Minuten leider zu einem etwas unbefriedigenden Killer-Filler-Verhältnis.

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Wertung: 7.5 / 10

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