Zusammen mit Mad Max und Victory gehören SINNER vermutlich zu den wichtigsten Hard-Rock-Bands Deutschlands und sind alleine schon aufgrund ihrer Beständigkeit – die Truppe um Frontmann Mat Sinner ist inzwischen seit über 40 Jahren durchgehend aktiv – von den drei genannten sogar die wichtigste. Wie so ziemlich jede Anfang der 80er gegründete Rock- und Metal-Band waren auch SINNER einst bei Noise Records unter Vertrag, was mit dem Verkauf des Labels in den Nullerjahren für das Verschwinden ihrer damaligen Alben vom Markt sorgte. 2016 nährte das wieder erstarkte Label mit einer Best-Of die Hoffnung, die Platten könnte wieder neu aufgelegt werden, doch leider kam es nie dazu. Dieses Manko wird nun von Dissonance Productions ausgeglichen, die mit „Born To Rock – The Noise Years ’84 – ’87“ die vier bei der Berliner Plattenfirma erschienenen SINNER-Alben in einer Box neu veröffentlichen.
Ganz an den Anfang der Karriere von SINNER geht es mit „Born To Rock – The Noise Years ’84 – ’87“ nicht zurück, denn ihre ersten beiden Platten erschienen anderswo. Allerdings markiert „Danger Zone“ durchaus den Beginn des kommerziellen Erfolges der Truppe. Die ungestüme und rohe Platte ist stilistisch irgendwo zwischen Hard Rock und Heavy Metal einzuordnen, trägt stellenweise Züge der Scorpions und begeistert mit überraschend starker Gitarrenarbeit. So richtig los ging es allerdings erst mit dem nachfolgenden „Touch Of Sin“, denn der Einstieg von Gitarrist Herman Frank (Ex-Accept) hob SINNER hörbar auf ein neues Level: Ähnlich wie bei Victory überzeugte Frank auch hier durch die charakteristische Coolness in seinem Spiel und so entstand eines der bis heute stärksten Alben der Band.
Die wachsende Beliebtheit von SINNER gefiel natürlich auch dem Label und so wurde das Budget von Album zu Album hörbar größer. Für das 1986 veröffentlichte „Comin‘ Out Fighting“ wurde gar Produzent Chris Tsangaridis eingekauft, der dank seiner Arbeit mit Judas Priest, Anvil und Thin Lizzy zu diesem Zeitpunkt bereits eine Legende war. So wurde die dritte Noise-Veröffentlichung der Band ein Album, das für damalige Verhältnisse vermutlich phänomenal gut klang, allerdings auch hörbar auf den damaligen Markt zugeschnitten war. Mit deutlich gedrosseltem Tempo und präsenten Synthies – übrigens von Deep-Purple– und Rainbow-Keyboarder Don Airey – ist „Comin‘ Out Fighting“ ein in jeder Beziehung sorgfältig durchdachtes Album, aber nicht das, was man im Anschluss an „Touch Of Sin“ erwartet hätte.
Der unfreiwillig komischste Teil von „Born To Rock – The Noise Years ’84 – ’87“ ist mit Sicherheit das ursprünglich 1987 erschienene „Dangerous Charm“. Die letzte bei Noise veröffentlichte SINNER-Platte entstand in „Zusammenarbeit“ mit Produzent Mick Jackson. Jackson, Komponist des Welthits „Blame It On The Boogie“, ist derselbe Produzent, der auch für die gefloppte (Grave) Digger-Platte „Stronger Than Ever“ verantwortlich war und SINNER mussten hier eine ähnliche Verhunzung über sich ergehen lassen: Weil der Trend Mitte der 80er in Richtung AOR zu deuten begann, wollte jedes Label seine eigenen Foreigner und so wurde auch das Material von Mat Sinner und Band bis zur Unkenntlichkeit weichgespült. Das Ergebnis ist ein Zeitzeugnis aus Synthie-lastigen Radiorock-Songs, die in ihrer Trashigkeit irgendwie charmant sind, aber bis heute von Fans und Band gleichermaßen gemieden werden.
In den mit Metal-Hammer-Schreiber Thorsten Zahn entstandenen und ziemlich ausführlichen Liner Notes zu „Born To Rock – The Noise Years ’84 – ’87“ behauptet Mat Sinner natürlich, dass er keine Zeit für die Vergangenheit habe und nur nach vorne blicke. Wie sehr das nicht stimmt, haben SINNER spätestens mit „Touch Of Sin 2“ bewiesen, für das sie eine Reihe der hier vertretenen Songs neu aufgenommen haben. Das Material zu ignorieren wäre auch verkehrt, denn vor allem „Danger Zone“ und „Touch Of Sin“ sind wirklich starke Heavy-Metal-Alben aus deutscher Fertigung. Überhaupt macht es Spaß, den Werdegang von SINNER anhand dieser vier Werke nachzuempfinden, weshalb „Born To Rock – The Noise Years ’84 – ’87“ nicht nur Fans der Band, sondern auch von teutonisch geprägtem Heavy Metal im Allgemeinen empfohlen werden kann.
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