Sinistro Cover

Review Sinistro – Vértice

Nach sechs Jahren ohne Veröffentlichung (den 2021 erschienenen Roadburn-Live-Mitschnitt mal außen vor gelassen) melden sich die Portugiesen SINISTRO mit einem neuen Longplayer zurück – der merklich anders klingt als die vorangegangenen Werke der Post-Doom-Kombo. Das liegt hauptsächlich an einem Besetzungswechsel an prominenter Position, der „Vértice“ zum Auftakt eines neuen Kapitels in der Bandgeschichte macht.

Sängerin Patricia Andrade hat die Band (gemeinsam mit Keyboarder und Bassist Fernando Matias) verlassen und wurde durch die in Luxemburg ansässige Portugiesin Priscila Da Costa ersetzt. Die Position am Viersaiter wurde mit Pedro do Vale neu besetzt und hat wenig Auswirkungen auf den Stil von SINISTRO. Der Positionswechsel am Mikrofon ist allerdings einschneidend und irritiert geneigte Zuhörer*innen sicherlich in den ersten Minuten.

Wer an den 2018er Vorgänger „Sangua Cássia“ zurückdenkt, dürfte vor allem den charakteristischen und hochemotionalen Fado-Gesang von Andrade im Ohr haben (Fado ist ein traditioneller portugiesischer Gesangsstil, geprägt von hoher Emotionalität – und von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt). Da Costa bleibt in ihren Texten zwar der portugiesischen Sprache treu und bringt ebenfalls eine große Portion Melancholie in ihrem Ausdruck mit, klingt aber trotzdem völlig anders. So kommen die Vocals moderner und rockiger daher, das Gesamtergebnis klingt mehr nach Gothic-/Dark-Rock à la The Gathering zu Anneke-van-Giersbergen-Zeiten, wenn auch mit härterem musikalischen Unterbau.

Apropos musikalischer Unterbau: Hier hat sich nichts grundsätzlich geändert. Harte, doom-geschwängerte Gitarrenwände nehmen einen Großteil des Frequenzspektrums ein, wobei eine gewisse Post-Rock-artige Atmosphäre nicht zu kurz kommt. Die beteiligten Musiker wissen fraglos, was sie tun und die druckvolle Produktion tut ihr Übriges, um „Vértice“ zu einer durchaus gelungenen Platte zu machen. Man könnte höchsten bemängeln, dass es einige Durchläufe braucht, bis einzelne Songs oder Passagen dauerhaft im Ohr hängen bleiben – das war auf den beiden Vorgängeralben, nicht zuletzt durch den einzigartigen Gesang, anders.

Aber das ist auf hohem Niveau gemeckert: Wenn man sich erstmal auf die neue Gesangsstilistik eingelassen hat, ist der neue SINISTRO-Longplayer ein Genuss für jeden Fan härterer Gitarrenmusik mit kontrapunktierendem, melodischen Frauengesang. Denn Da Costa macht hier keinen schlechten Job, tritt aber auch in ziemlich große Fußstapfen. Sicherlich hat die Band durch den Abgang von Andrade ein gewisses Alleinstellungsmerkmal verloren, ist aber weit davon entfernt, völlig beliebig zu klingen. Und vielleicht muss man SINISTRO nach der langen, durchaus auch pandemiebedingten Pause und besagten Besetzungswechseln auch eine kleine Eingroovephase zugestehen.

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Wertung: 7.5 / 10

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