Review Shining (Nor) – Animal

Das Problem am „verrückten Genie“ ist, dass es eben nicht nur genial, sondern per Definition auch verrückt ist, was beim Versuch, seine Motivation für bestimmte Aktionen nachzuvollziehen, mitunter Probleme bereitet. Beispiel gefällig? Der norwegische Ausnahmemusiker Jørgen Munkeby, der mit seiner Band SHINING das Genre des Black Jazz begründete, um nun, drei Alben später, auf einmal 90s-Pop zu machen.

Richtig gelesen: Auf „Animal“, so der Titel der CD, sucht man vertrackte Rhythmen ebenso vergeblich wie extremen Metal oder das bisherige Trademark der Band, Munkebys so virtuoses wie verrücktes Saxophonspiel. Stattdessen bieten SHINING dem Hörer vornehmlich Easy-Listening-Nummern, die hart an der Grenze zum Kitsch entlangschrammen.

Hart ist an den Songs selbst nämlich nur noch wenig: Während die Gitarren zumeist weit in den Hintergrund gerückt sind und das Saxophon gar gänzlich aus dem SHINING-Kosmos verdrängt wurde, spielen auf Eingängigkeit getrimmte Synthesizermelodien auf dem Album die zentrale Rolle. Und weil SHINING keine halben Sachen machen, wurde auch der energische Schreigesang von früher größtenteils durch melodische Gesangsmelodien ersetzt.

Wo SHINING noch Metalelemente verwenden, bleiben die Riffs vergleichsweise simpel, so dass Stücke wie der Titeltrack „Animal“ oder auch „Smash It Up!“ unweigerlich an Elektro-Metal-Bands wie Semargel oder Pain denken lassen. Und diese Nummern sind noch die härtesten: Schon der Einstiegs-Ohrwurm „Take Me“ würde auf einer klassischen Trashpop-Party über weite Strecken kaum mehr aus dem Rahmen fallen. Und zumindest bei jedem, der altersbedingt am „Sound der 90er“ nicht vorbeigekommen ist, dürfte schließlich der Refrain von „When The Lights Go Out“ fast unweigerlich Erinnerung an „Everybody (Backstreet’s Back)“ wecken.

Die Schunkelnummer „When I’m Gone“ und das schmalzige Duett von Munkeby mit Linnea Dale in „Hole In The Sky“ zum Abschluss runden den bisher gewonnenen Eindruck ab: „Animal“ könnte auch als Cover-Album mit Alternative-Metal-Versionen der besten 90er-B-Seiten durchgehen. Denn so sehr der Stilwechsel auch verstören mag, kann man doch nicht leugnen, dass SHINING das, was sie da tun, einmal mehr nahezu perfekt machen: Absolut konsequent durchgezogen und bis ins letzte Detail zu Ende gedacht.

„Animal“ ist wie eine Tüte Gummibärchen: Natürlich hört man damit nicht auf, bevor einem schlecht ist. Wirklich Bauchschmerzen bereitet aber nicht die Musik selbst, die – in der richtigen Stimmung – durchaus Spaß macht, sondern die Tatsache, dass SHINING diesem global betrachtet eher gewöhnlichen Sound ihren wirklich einzigartigen Black Jazz geopfert haben.

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Wertung: 8.5 / 10

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