Hurra, mal wieder Nacken schonen! Das dritte Studioalbum der Finnen von Shape Of Despair mit dem Titel „Illusion’s Play“ bietet betörend langsamen, tonnenschweren Doom Metal mit einem starken Gothic-Einschlag. Trotz genreüblichen Wiederholungen gelingt es der sechsköpfigen Truppe allerdings mit dieser CD nicht absolut monoton zu wirken.
Das sechsminütige „Intro“ namens „Sleep Mirrored“ bietet zwar nicht viel Variation, was Riffs und Drumming anbelangt, zeigt allerdings einige interessante Passagen, wo die konventionellen Instrumente aussetzen und allein der auf (Streich-)Orchester gebürstete Synthie faszinierende Klangwelten produziert. Alles in allem sehr gelungen, besonders weil selbst die simplen, äußerst schwerfälligen Riffs durchaus ins Ohr gehen.
Der erste „richtige“ Track, ein Sechzehneinhalbminüter mit dem Titel „Still-Motion“ beginnt ultalangsam, so dass man eher die „Minutes per beat“ als die „Beats per minute“ angeben möchte. Gleich darauf legt das (klare) Sänger-Paar los, und, wow, das klingt ausgesprochen faszinierend. In Kombination mit dem angenehm-dröhnenden Instrumentalgerüst schwebt eine dunkle Wolke Verdammnismetall ins Ohr und setzt sich dort fest. Auch die Leadgitarre fällt deutlich auf, wie sie mit einem höheren Riff einen Kontrast zu dem später dominierenden Growls bildet, der wirklich unter die Haut geht. Wo der klare Gesang noch irgendwie hypnotisierte, erzeugen die rauen Vocals eine beeindruckende, infernalisch-melancholische Stimmung. Die zweite Hälfte des Songs ist ein wunderschönes, abgründiges Synthie-„Solo“, das mit 8 Minuten allerdings etwas sehr lang geraten ist.
„Entwined In Misery“ stampft im Gegenzug wieder bleiern los. Ab und zu hat man den Endruck der Drummer könne nicht ganz den Takt halten, aber Synkopen kann man ja auch als Stilmittel auslegen, zumindest fällt dies nicht weiter ins Gewicht. Die mittelhohe Leadgitarre spannt zu den fetten, tiefen Rhythmusklängen einen Klangbogen und bitterböse Growls schieben sich dazwischen. Die Elektronik ist zunächst deutlich in den Hintergrund gerückt, wenn auch nicht völlig verschwunden, nach viereinhalb Minuten schaffen sich die Synthies jedoch wieder mehr Gehör. Hier wird wieder deutlich, dass Shape Of Despair wirklich eine Band sind, deren kompositorische Fähigkeiten die der meisten Doom Metaller übersteigen. Kurz vor Schluss des Tracks setzen Schlagzeug, Bass und Rhythmusklampfe aus, und ein einsamer, widerhallender Sechssaiter spielt zusammen mit dem Instantorchester den Song zu Ende.
Mit Akustikgitarre startet „Curse Life“. Die Ruhe endet abrupt, als abermals mit satten Riffs die Metalfraktion einsteigt. In diesem teilweise etwas „schnelleren“ Song bekommt der klare Gesang wieder etwas Zuspruch, könnte aber insgesamt doch deutlich mehr sein, das gefiel im zweiten Track doch sehr gut. Die Akustikgitarre spielt sich in der zweiten Songhälfte wieder in den Vordergrund, die Elektronik spielt eine dezent unterstützende Rolle und das Gestampfe setzt vorerst aus. Die letzten Minuten unterscheiden sich nicht groß vom zweiten Viertel des Songs, hier wird wieder gedoomt bis zum Umfallen. Ein bezauberndes, todesmelancholisches Gitarrensolo bringt „Curse Life“ dann zu Ende.
Track 5 namens „Fragile Emptiness“ erscheint zunächst ein wenig wie ein langsamer Amorphis, auch die Gitarren wirken etwas lockerer als das düsterne Brett, das Shape Of Despair sonst fahren. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich fast sagen, dass dieser Song mit etwas Fantasie ein Cover sein könnte. Die typischen Ruhe/Synthie-Passagen, die auch in „Fragile Emptiness“ den Verdammnisstrom durchbrechen, beweisen jedoch die später die Handschrift des Sechsers. Wieder erklingt zum Schluss ein Gitarrensolo, was jedoch eine dezent spürbare andere Stimmung als die vorherigen Trauerklöße erzeugt.
Der Rausschmeißer der CD und gleichzeitig ihr Titeltrack startet sehr ruhig, sogar für Doom Metal. Eine einzelne Akustikklampfe lässt alle 10 Sekunden ein paar Töne erklingen, die Spannung steigt merklich. Das Folgende stellt aber keine Überraschung dar: Tief-finstere Klänge von allen Bandmitgliedern. Abermals gut gelungen ist das für etwas Abwechslung sorgende Spiel der beiden Gitarristen, das im Gegenzug zu vielen Genrekollegen nicht in todlangweiliger Monotonie versinkt. Ein langes Synthie-Interlude prägt die Mitte des Zwölfminüters, obwohl es wirklich gut klingt, empfinde ich es als etwas überdimensioniert. Ab der achten Minute wird wieder gedrückt, und hier kommen die Koskinen’schen Gesänge wieder sehr schön zur Geltung. Abgesehen von Siebenbürgen habe ich noch keine Band erlebt, in der weibliche Vocals so passend in düsterem Metal Verwendung fanden. Natalies Stimme wird von der gewohnt schwergewichtigen Instrumentalbasis perfekt eingebettet, so dass sich das Gesamtbild zum Schluss von „Illusion’s Play“ ausgezeichnet präsentiert.
Nach einer alten Regel aus dem Musikbusiness ist das dritte Album einer Band immer das wichtigste, das am Ehesten durchblicken lässt, ob die Gruppe bestehen kann oder untergeht. Meiner Beurteilung nach ist „Illusion’s Play“ ein Album, was Shape Of Despair zu einer Festigung ihres Status verhelfen kann. Die Finnen liefern auf ihrer CD ein äußerst gelungenes Stück Musik, was trotz einiger Verbesserungsmöglichkeiten – Stichwort klare Gesänge, die durchaus vermehrt eingesetzt werden könnten – zu überzeugen weiß. Der schmale Grat, den jede Band dieses Genres achten muss, nämlich zwischen ergreifend hypnotischen Klängen und purer monotoner Langeweile, wird genau erkannt. Gezielte Wiederholungen greifen da, wo sie sinnvoll sind, atmosphärische Unterbrechungen und einige kleinere Experimente sorgen dafür, dass es durchaus Spaß macht die CD aktiv zu hören. Was am Ehesten zu kritisieren ist: Die – zwar schönen – Stellen, wo die Elektronik die Musik dominiert und die anderen Instrumente verstummen, sind stellenweise zu lang geraten und verfallen ihrerseits etwas in die Einseitigkeit. Das schmälert allerdings nur gering den sonst recht guten Gesamteindruck.
Wertung: 8 / 10