Review Sepultura – Roots

Meilenstein oder völlig missraten? Zu kaum einem Album aus dem weiter gefassten Sektor des Thrash Metal dürften die Meinungen so weit auseinander gehen wie zu „Roots“ von SEPULTURA. Zu einem guten Teil liegt das natürlich am experimentellen Stil des Albums. Vor allem aber ist dieses Werk – das letzte von SEPULTURA mit Max Cavalera – längst zum Symbol für die wohl ewig währende Schlammschlacht zwischen dem Cavalera-Clan und den verbliebenen Mitstreitern geworden.

Tatsächlich ist der Opener und Quasi-Titeltrack „Roots Bloody Roots“ mit dem subtilen Grillenzirpen, dem groovigen Cavalera-Riffing, seinen Tribal-Drums und den rohen Screams so stumpf, so effizient, dass auch ein Vierteljahrhundert später schnell klar wird, warum dieser Track so gut funktioniert – gleichzeitig jedoch unerklärlich bleibt, warum ausgerechnet dieser Song der bekannteste Track des an Hits wahrlich nicht armen Frühwerks von SEPULTURA wurde. Fakt aber ist, auf „Roots“ als Album bezogen: Selten zuvor oder auch später hat eine Platte mit einem solchen Ausrufezeichen begonnen.

Das ist zugleich ein Problem für „Roots“, das mit im folgenden zwar viel zu bieten hat – aber eben weder, was man von SEPULTURA bislang kannte, noch, was der Opener verspricht. Die messerscharfe Gitarrenarbeit, die Alben wie „Beneath The Remains“, „Arise“ und (über weite Strecken) auch „Chaos A.D.“ getragen hat, ist eher grobschlächtigen Groove-Metal-Riffs gewichen, statt einem furiosen Rifffeuerwerk wiederholen SEPULTURA ihre simplen Motive hier fast mantraartig: Der Opener kommt mit zwei Riffs noch gut aus, anderen Songs hätte etwas mehr Abwechslung jedoch gut getan. Passend zum stumpferen, Hardcore-beeinflussten Songwriting ist auch der Sound nicht mehr thrashig-schnittig. So reibt sich das Album zwischen kratzigen Vocals und grummeligen, basslastigen Saiteninstrumenten auf. Nimmt man dann noch die unüberhörbare Nu-Metal-Attitüde von Songs wie „Straighthate“, „Spit“ oder „Lookaway“ dazu, die tatsächlich eher an Slipknot oder Korn erinnern denn an alte SEPULTURA, wundert es wenig, dass das Album bei Fans der Band nicht sonderlich gut ankam. Und da sind die Tribal-Elemente noch ganz außen vor gelassen …

Dabei prägen diese im brasilianischen Urwald aufgenommenen Songteile den einzigartigen Charakter von „Roots“ mehr als alles bisher Beschriebene. Allerdings funktioniert der Mix aus Tribal-Elementen und Thrash/Groove Metal später, auf den ersten Soulfly-Alben, besser als hier: So können das groovige „Ratamahatta“ mit seinem Rap- und Nu-Metal-Anteil, die konsequente Fusion aus Metal und Tribal-Elementen („Breed Apart“) und das Einbringen von Weltmusik-Interludes („Itsári“, „Canyon Jam“) zwar quasi als Blaupause zum späteren Soulfly-Konzept gesehen werden – auf den gesamten Albumverlauf gesehen sorgen die Exkurse in die Weltmusik auf „Roots“ jedoch für einen etwas zerfahrenen, unsortierten Gesamteindruck. Percussions und etwas ritueller Gesang am Ende von „Born Stubborn“ bereiten etwa mitnichten auf das Akustik-Instrumental „Jasco“ vor, das maximal aggressive „Dictatorshit“ wiederum wirkt wie ein Fremdkörper zwischen dem gelungenen Tribal-Thrash-Mix „Endangered Species“ und dem finalen Atmo-Track „Canyon Jam“, der für sich genommen auch etwas arg verschroben ausfällt.

Solche Kritik ist leicht geübt – 25 Jahre und eine Unzahl an „Tribal-Metal-Alben“ mehr oder weniger ernstzunehmender Bands später … nur dass es all dies vor „Roots“ schlicht nicht gab. Insofern muss natürlich auch der Pioniergeist von Max Cavalera und Konsorten gewürdigt werden, dieses Album nicht nur zum Auftakt von Max‘ Cavaleras spannender Reise mit Soulfly, sondern, weiter gefasst, zum Urahnen eines ganzen Genres gemacht hat. Und das zumindest authentischer als jemals später gehört: Da können Heilung noch so spirituell auf ihre Trommeln drömmeln – in den brasilianischen Urwald zu den Xavantes zu fahren und einen Track wie „Itsári“ live aufzunehmen, ist dann doch eine andere Hausnummer. Als Thrash-Metal-Album und Nachfolger eines „Beneath The Remains“ oder „Arise“ ist „Roots“ eine Katastrophe – als „Brückentechnologie zwischen dem straighten Metal der 1980er-Jahre und dem experimentellen Nu-Metal der 1990er-Jahre bleibt „Root“ bis heute ein Klassiker. Und natürlich wegen dieses einen Songs:

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Wertung: 6 / 10

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