Septicflesh - Modern Primitive

Review Septicflesh – Modern Primitive

Wenn schon Symphonik und Metal verbinden, dann richtig. Diesem Anspruch folgend, landet man schnell bei SEPTICFLESH: Mit dem studierten Konzert-Komponisten Christos Antoniou als Songwriter vereinen die Griechen seit über drei Dekaden Orchestralen Pomp mit extremem Metal. 2019 konnten SEPTICFLESH ihre komplexen Arrangements in Mexiko erstmalig in voller Pracht auf die Bühne bringen, im Jahr darauf durften sich Fans in aller Welt über den grandiosen Live-Mitschnitt „Infernus Sinfonica MMXIX“ freuen. Zugleich war die Veröffentlichung ein Abschiedsgeschenk an Season Of Mist, das Label, bei dem SEPTICFLESH 2008 mit „Communion“ ihre Rückkehr gefeiert hatten und das wohl entscheidend Anteil am Erfolg der Band in dieser Zeit hatte.

Für ihr elftes Album haben SEPTICFLESH nun beim Branchenriesen Nuclear Blast angeheuert. Das ist, so schade das für alle Beteiligten auch ist, allerdings auch schon die größte – um nicht zu sagen: einzige – große Neuerung, von der sich zu berichten lohnt. Musikalisch nämlich setzen SEPTICFLESH auf „Modern Primitive“ die Entwicklung der letzten Alben fort, die vornehmlich darin bestand, sich immer weniger weiterzuentwickeln. Waren die Alben „The Great Mass“ (2011) und „Titan“ (2014) nach dem großen Stilwechsel mit „Communion“ jeweils noch einen Schritt weiter in Richtung des perfekten Bombasts gegangen, wirkten SEPTICFLESH schon auf „Codex Omega“ (2017), als hätten sie den Tempomat aktiviert. Mit „Modern Primitive“ scheinen SEPTICFLESH nun gänzlich Autopilot geschaltet zu haben. Das ist auf seine Art natürlich modern – aber eben auch primitiv.

Dabei sind die Songs freilich nicht „schlecht gemacht“. Ihr Wiedererkennungswert ist jedoch gering, ein charakteristisches Element, das sie eindeutig als Songs dieses Albums ausweisen würde, sucht man vergeblich. Vielleicht könnte man als solches die immer mal wieder eingeflochtene Konzertgitarre durchgehen lassen – um das Album zu prägen, ist ihre Rolle jedoch durchweg zu unbedeutend. Auch das ist bezeichnend für ein weiteres Problem des Albums. War etwa „Communion“ noch ein Album mit ruhigen und lauten Passagen, ziehen SEPTICFLESH mittlerweile fast immer fast alle Register. Kaum ein Riff kommt ohne orchestrale Begleitung aus, die Gitarren wiederum schweigen meist nur in kurzen Breaks. Als wäre das nicht schon zu viel des Guten, überlagern sich auch noch immer wieder die Sänger der Band und die Chorstimmen.

Ähnlich verhält es sich mit dem Sound, der diese Steifigkeit noch verstärkt: Dynamik in der Intensität sucht man vergebens, stattdessen fühlt man sich über die gesamte Spielzeit einem quasi gleichbleibend intensiven Level an Lautstärke und Produktionsbreite ausgesetzt. Dieses Dauerfeuer, kombiniert mit dem nun seit mehreren Alben kaum variierten, sehr sterilen Gitarrensound sorgt schnell für innere Abstumpfung: Wenn alles laut ist, ist bekanntermaßen nichts mehr laut.

So brechen aus dem großen Kanon der SEPTICFLESH-typischen Songs erst die drei rein orchestral arrangierten Bonustracks der Digipak-Version aus: Da hier der Metal wiederum komplett fehlt, fühlt man sich (insbesondere beim operettenhaften „Salvation“) stark an Christos‘ Neoklassik-Projekt Chaostar erinnert. Trotz – oder gerade wegen – der fehlenden Gitarrenwände weisen diese Stücke jene Dynamik auf, die dem regulären Albums weitestgehend fehlt.

Man möchte einer mit einer so klaren Vision ausgestatteten Band keine Gleichgültigkeit vorwerfen – und doch wirkt „Modern Primitive“ vom Cover bis zum Songwriting sehr beliebig. Dabei fällt den Griechen natürlich zu einem gewissen Grad ihr extravaganter Stil in den Rücken: Denn wo sich nur die wenigsten Fans daran stören dürften, wenn eine Thrash- oder Death-Metal-Band ein ums andere Mal vor allem nach sich selbst klingt, wirken die elaborierten Symphonic-Metal-Kompositionen von SEPTICFLESH umso einfallsloser, wenn sie nurmehr Erwartungen erfüllen.

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Wertung: 6.5 / 10

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Ein Kommentar zu “Septicflesh – Modern Primitive

  1. Hervorragende Rezension. Trifft absolut den Kern, meiner Meinung. Schönklang, der aber ultimativ kalt lässt. Songwriting lässt zu wünschen übrig. Zudem klingt alles steril und austauschbar. Außerdem gleichen sich diese ganzen Nuclear Blast-Produktionen schon seit Jahren einander an. Sehr schade.

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