Hätte Kollege Mutz nicht sehr schlüssig dargelegt, warum die CD, um die es hier geht, nicht ist, was sie gerne wäre, hätte ich wohl so schnell gar nicht erfahren, dass sie überhaupt existiert. Nun, da sie sich jedoch allein aus Neugierde doch im Player dreht, komme ich kaum umhin, für das Projekt zumindest eine kleine Lanze zu brechen.
Als Fan der Polen Massemord und Furia war es der Name Nihil, der mir in der Besetzungsliste ins Auge stach – und in der Tat handelt es sich bei dem hier aufgeführten Musiker um den aus genannten Bands bekannten Sänger. Diesen mit „50 minutes of avantgarde post black metal music“ in Verbindung zu bringen, fällt mir dabei zugegebenermaßen nicht recht einfach, waren doch selbst die recht innovativ agierenden Furia stets einigermaßen true unterwegs.
Glücklicherweise muss ich das jedoch auch nicht, wie sich recht schnell zeigt – denn wenn das selbstbetitelte Album der Band mit dem Endlos-Namen eines nicht ist, dann „ avantgarde post black metal music“. Wie weit das Label mit dieser Formulierung sogar daneben liegt, zeigt die Tatsache, dass das, was man hier 50 Minuten lang zu hören bekommt, weder avantgarde noch post irgendwas ist, ja, stellenweise nicht einmal mit black metal und „music“ viel zu tun hat. Und gewiss, geht man mit einer durch diesen Begriff beeinflussten Erwartung an „Seagulls Insane And Swans Deceased Mining Out The Void“ heran, kann dieses aus den hier sowie im entsprechenden Review des Kollegen genannten Gründen nur durchfallen.
Betrachtet man „Seagulls Insane And Swans Deceased Mining Out The Void“ jedoch unvoreingenommen oder zumindest losgelöst von diesem wirklich unglücklich gewählten Begriff, bekommt man ein gänzlich anderes Gesicht des Albums zu sehen – the dark side of the moon, sozusagen. Ok, zugegeben, ein wenig kitschig, der Vergleich, und doch ganz nützlich eigentlich – nützlich genug jedenfalls, um ihn noch etwas breitzutreten: Was SEAGULLS INSANE AND SWANS DECEASED MINING OUT THE VOID hier darbieten, ist auf den ersten Blick betrachtet nämlich ungefähr genauso fad, eintönig, trist, grau, unwirtlich, zerklüftet und lebensfeindlich wie jener oftbesungene Ort. Die Riffs pro Song (böse Zungen behaupten, auf dem ganzen Album) lassen sich an einer Hand abzählen, ziehen sich wie ein Gewaltmarsch durch die Wüste und schleppen sich mitunter genauso kraftlos voran wie der durch ebendiese Marschierende. Das mag mitunter stupide klingen, monoton und auf den ersten Blick langweilig – das ist allerdings bei quasi allen „wegweisenden“ Songs (so es diese wirklich gibt) von Burzum nicht anders. Und in einer Welt, in der ein Dreiklang, welcher 25:11 Minuten lang nach dem gleichen rhythmischen Muster in seine Bestandteile zerlegt dargeboten wird, als wegweisend gilt, können SEAGULLS INSANE AND SWANS DECEASED MINING OUT THE VOID gar nicht ganz auf dem Holzweg sein.
Liegt man mit Burzum als Vergleich stellenweise also schon gar nicht so daneben, tut es auch ein weiterer Griff in die Veteranenkiste – zu Mayhem. Auch hier gehörte Monotonie lange zum guten Ton, wenn auch in etwas gesteigertem Tempo. Von größerer Bedeutung ist bei diesem Vergleich jedoch Nihils Gesang, welcher mitunter durch sein tiefes Röcheln merklich an Attila Csihar erinnert: Spätestens im abschließenden „V“ drängt sich dieser Vergleich gradezu auf, wobei die begleitende Musik hier eher an sein Engagement bei Sunn O))) denken lässt: Eine knappe Viertelstunde lang machen SEAGULLS INSANE AND SWANS DECEASED MINING OUT THE VOID dem Drone-Duo alle Ehre – und das durchaus gekonnt.
Was jedoch auch hier im Anschluss folgt, ist schlicht und ergreifend eine Qual, und sollte dies das Element sein, das den Promoter zu jenem oben hart kritisierten Genre-Fehlgriff verleitete, wäre das mal wieder ein Anlass, zu verzweifeln. Denn nein, nur weil man fünf Minuten am Stück auf alle möglichen Arten herumlärmt und wahllos kakophonische Geräusche übereinanderschichtet, ist man weder avantgarde noch post. Von in musikalischer Hinsicht „bösartig“ gar nicht erst zu reden…
Leider sprechen wir hier jedoch nicht nur vom Ende des letzten Songs, sondern vom Ende eines jeden auf der Scheibe: Alle fünf Stücke finden ihren Abschluss in einem undefiniertem Kreisch-Quietsch-Kratz-Lärm-Konglomerat, das alles mögliche bewirkt, nur nicht, dass das Album an Tiefe oder Qualität zulegt. Denn Fakt ist: Weder für die Atmosphäre des Albums noch für die Wirkung der Songs als solche wären diese ob ihrer Länge quasi schon als Interludes fungierenden Songenden von Nöten gewesen. Ohne derartige „improvisation of evil“-Passagen wäre das Album deutlich griffiger und fokussierter dahergekommen und hätte mit seinen Songs als reines Drone-Black-Metal-Werk durchaus überzeugt.
Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass weniger auch hier mal wieder mehr gewesen wäre – aber auch, dass SEAGULLS INSANE AND SWANS DECEASED MINING OUT THE VOID trotz allem ein Debüt gelungen ist, das seine Reize hat. Denn auch, wenn die erwähnten Passagen stören, vermögen sie die Atmosphäre des Albums nur zu schmälern, nicht jedoch zu zerstören. Für Fans von Nihils anderen Kapellen, vor allem Furia und CSSABA, dürfte dieses Album wohl sowieso ein Muss sein – für alle Fans der anderen genannten Bands zumindest wert, Gehör zu finden.
Wertung: 7.5 / 10