Review Schädlich & Söhne – Zweckpessimismus

Ein Rabe sitzt auf dem Dach eines alten Häuschens. Es hat ein Loch. Im Inneren hantieren zwei Männer. Der Rabe beobachtet sie genau. Allerlei Essenzen und Chemikalien stehen auf einem großen Tisch verteilt. Es wird gemischt, pipettiert, gewogen und wieder gemischt. Als Stunden später die Sonne untergeht, scheint sie fast blutrot zwischen den ausgedörrten Bäumen des lichten Waldes hindurch. Ein selbst bedrucktes Etikett wird auf eine kleine, grüne Flasche geklebt. Darauf zu lesen: SCHÄDLICH & SÖHNE – Das gute Gift. Während die beiden Männer sich zufrieden angrinsen, fliegt der Rabe laut krächzend davon. Er muss mit seinen Freunden wiederkommen.

Das ist die Geschichte von SCHÄDLICH & SÖHNE. Moment, von wem? Was klingt, als würde über ein deutsches Traditionsunternehmen mit Nachfolgegarantie gesprochen, ist das neue musikalische Kind von Gitarrist und Songwriter Yantit (Eisregen, Ewigheim, Goatfuneral) und dem Sänger Guido Meyer de Voltaire (ex-Bethlehem, Misticia, Aardvarks). Mit „Zweckpessimismus“ präsentiert das Duo nun sein Debüt.

Die Band bedient sich dabei aber nicht nur aus dem Pool an Inspiration, die allein der künstlerische Werdegang bedingt. Wenn, oder gerade weil, die Songs von SCHÄDLICH & SÖHNE besonders im Ewigheim’schen Territorium gut anlanden dürften („Schädlich & Söhne“, „Pathos, mein Freund?“), sind es besonders die kleinen Experimente und Ausbrüche, die aufhorchen lassen.

Manches Mal beschwingt, fast poppig („Katze Fröhlich“, „Ein Leben“) wühlt das Zweigespann im nächsten Augenblick in der Kiste mit den elektrischen Rhythmen und Synthesizer-Klängen. Eine Willkür, die SCHÄDLICH & SÖHNE auf Songs wie „Tanz!“ und „El Mundo Se Está Hundiendo“ mit einem Grinsen im Gesicht und erhobenem Mittelfinger umsetzen. „Zweckpessimismus“ passt nicht in Schubladen, seine Protagonisten schlagen gar mit dem Vorschlaghammer drauf ein. Unmut bei Freunden der härteren Töne muss deshalb aber lange noch nicht aufkommen.

Mit „1000 Raben“ und „St. Nimmerlein“ präsentieren die beiden Musiker sogar außergewöhnlich harte Songs auf ihrem Album. Auch Black Metal ist bei SCHÄDLICH & SÖHNE also ein Teil ihrer Rezeptur. Umso schöner, denn wenn die Herren einmal die Keule rausholen, dann trifft die auch. Besonders angenehm ist, dass das Duo es geschafft hat, die unterschiedlichen musikalischen Stile zu einem spannenden Ganzen zusammenfügen zu können. Das liegt wohl auch daran, dass einige Songs beinahe nahtlos ineinander übergehen. Trotz der verschiedenen Ansätze in den Liedern wirkt „Zweckpessimismus“ absolut schlüssig.

Zwei kleine Haken gibt es dennoch. Zum einen gelingt es SCHÄDLICH & SÖHNE noch nicht bei jedem Song, den Spannungsbogen zu halten. Wie gut das aber funktioniert, zeigt die Band mit dem Song „Vor uns der Tod“: Wuchtige Gitarren, tolle Melodien und ein Sänger in Höchstform machen auf diesem Track absolut klar, über wie viel Potenzial dieses Projekt verfügt. Davon darf es beim nächsten Album gerne noch mehr geben.

Zum anderen ist es der Klang von „Zweckpessimismus“, der alles ein wenig zu „vertraut“ wirken lässt. Von Markus Stock produziert und an der Bassgitarre unterstützt, verleiht der klassische „Studio-E-Sound“ dem Album in passender Weise Druck und hebt seine Nuancen hervor. Allerdings wirkt ebendies wie ein Echo aus Ewigheim und Bethlehem. Deshalb klingt die Platte einfach zu sehr nach dem, wofür die beiden Musiker ohnehin schon bekannt sind.

Wenn SCHÄDLICH & SÖHNE den Anspruch hegen, die Schatten ihrer künstlerischen Großtaten zu übersteigen, sind eine andere Herangehensweise an die Produktion und etwas dynamischere Refrains als Bezugspunkte die letzten Zutaten für etwas völlig Neues. Unter dem Strich debütieren Yantit und Guido mit einem bockstarken Album voller Abwechslungsreichtum und toller Ideen. Oder wie die Protagonisten sagen würden: Verehrte Kundschaft, der Giftschrank von SCHÄDLICH & SÖHNE steht jedem offen. Jetzt zugreifen und glücklich werden!

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Wertung: 8.5 / 10

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