Review Savage Circus – Dreamland Manor

Selten gab es so einen Hype um ein Debütalbum, selten hat der Abgang eines Schlagzeugers soviel Wirbel gemacht wie der Ausstieg von Thomen Stauch bei Blind Guardian. Hinzu kommt ein Sänger, der sich bei den Hörproben vorab frappierend nach Hansi Kürsch anhörte. Doch Jens Carlsson darauf zu limitieren ist schlichtweg falsch, er verbindet dies mit der Rauheit eines Piet Sielck (der zufälligerweise auch noch als Hintergrundsänger agiert, so dass man teilweise die Beiden kaum auseinander halten kann) und dem Gefühl eines Tony Martin. All dies macht ihm sogar zu einem variableren Sänger als Hansi Kürsch es heute ist.

Hat man sich endlich vom sexy Hintern und den leicht bekleideten Rundungen der Elbenschlampe auf dem Cover losgerissen (so langsam versteh ich, wieso einige Leute auf Manga-Pornos stehen…), erwartet einen mit dem Opener “Evil Eyes“ sogleich die erwartete Reise in die Vergangenheit. Power Speed Metal wie zu Besten „Somewhere Far Beyond“ oder „Imaginations“ Zeiten, vermischt mit ein bisschen Iron Savior. Sogar dieser typische Gardinen-Gitarrensound, den ich bis dato noch bei keiner anderen Band gehört habe, kommt zum Einsatz. Ich fühle mich in meine Jugend versetzt, als ich noch erwartungsvoll die neue Blind Guardian Scheibe in den Händen hielt. Carlssons wunderbares Organ wird hierbei immer wieder von mehrstimmigem “Chor“-Gesang unterstützt. “Between The Devil And The Seas“ macht genau da weiter, wobei es hier auch teilweise etwas härter zur Sache geht. Was sich beim zweiten Lied bereits heraus kristallisiert, ist das unglaubliche Wahnsinnsgespür für hervorragende Refrains, und dabei auch noch allesamt Mitsingkompatibel par Excellenze. Mit ruhigeren Tönen beginnt “Waltz Of The Demon“, doch ein Song mit “Demon“ im Titel kann nicht ruhig bleiben. Dieses Teil könnte locker vom Iron Savior Debüt stammen (bei dem zufällig ein gewisser Thomen Stauch der Drummer war…). Bei einer Durchschnittslänge von 6 Minuten(!) pro Song wird es trotzdem nie langweilig, so strotzt auch dieses sieben Minuten Monster nur so vor Abwechslung. Ein Highlight unter Highlights ist nachfolgendes “Tomorrowland“, bei dessen Refrain ich ausflippen könnte. Carlsson zeigt, dass er auch in schreiender Tonlage eine Hammerfigur macht, Wahnsinn. Überhaupt klingt er in diesem Lied wie ein junger Sangesgott. Die Jungs scheinen voll gepumpt mit Energie, auch “It – The Gahering“ tritt nicht auf die Bremse, eine Mischung aus “Journey Through The Dark“ und “Lost In The Twilight Hall“, ohne jedoch wie ein Abklatsch zu klingen, grandios.

Mit “Beyond Reality“ steht dann die schon erwartete Ballade an, die glücklicherweise ohne jeden Kitsch daher kommt. Einfach nur ein wunderschönes Lied, eine “echte“ Ballade wohlgemerkt, will meinen, keine mittelalterliche Ballade wie von den Gardinen gewohnt (was nicht negativ gemeint ist, ich liebe den “Bard Song“ oder “Past And Future Secret“!). Dies hier dürfte live eine Gänsehautnummer werden. Aber genug geträumt, “When Hell Awakes“ gibt wieder voll auf die Socken, sehr geil. Wenn das hier nicht mehr zu den Krefeldern passen soll, dann weiss ich es echt nicht mehr. Und apropos Gänsehaut, eine anderer Art dieser schleicht sich mir bei den Schreieinlagen von Herrn Carlsson ein, das macht er wirklich genial. Und die Brutalo-Bridge weckt einen endgültig wieder as der Lethargie. Wer sagt denn, die Nackenmuskulatur würde nur bei Death oder Thrash Metal aufs Äußerste beansprucht?! Ein etwas düstereres Stück Musik steht mit der Geistergeschichte an, kombiniert trotzdem mit so viel Melodie, dass es schwer zu beschreiben ist. Gerade in diesem Lied wird die enorme Bandbreite der Stimme von Jens Carlsson deutlich, er singt tief, er schreit, er singt mit Gefühl, Hammer! Bei einer Länge von Sieben Minuten Fünf Sekunden ist natürlich auch genug Zeit für ausführliche wunderbare Instrumentalparts. Ja sind wir denn wirklich schon am Ende? Ja, “Born Again By The Night“ rotzt zum Ende mit durchgetretenem Gaspedal aus den Boxen. Ein Rausschmeißer in der Tradition von “And The Story Ends“, Geschwindigkeitstechnisch wohlgemerkt. Ansonsten werden alle Elemente des Albums, sprich speediger Metal mit viel Melodie und tollen Refrains, nochmals vereint, und der Zirkus entlässt uns aus der Vorstellung mit viel Freude auf den nächsten Streich. Wer nun noch nicht genug hat, kann sich zum Abschluss noch den Videoclip zu “Evil Eyes“ am heimischen PC zu Gemüte führen.

Ja, dies ist die Platte, auf die viele nach der “Imaginations“ gewartet haben. Und noch so viel mehr. Natürlich klingt vieles nach Blind Guardian, doch Thomen ist der Erste, der dies zugibt. Der Großteil der Songs wurden nun mal zu aller erst für Blind Guardian geschrieben, von daher kann und darf dies kein Negativpunkt sein. Natürlich ist es auch kein “Imaginations From The Other Side“, wenn das Album zu Toppen so leicht wäre, hätten die Gardinen uns bestimmt kein Album wie “A Night At The Opera“ aufgetischt. Ich bin mir sicher, dass mit dem nächsten Album die direkten Bezüge zu Guardian abnehmen werden. Deshalb gebe ich auch einen halben Punkt weniger wie eigentlich geplant, denn sonst müsste ich ja theoretisch einem vierten Album eine Zwölf geben…. Abschließend bleibt zu sagen, wenn nach Aussage von Herrn Stauch diese Songs nicht mehr zu Blind Guardian passen, graut es mir vor dem nächsten Werk der Krefelder!

(Oli)

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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