Brian Ross ist ein ziemlicher Workaholic: Als Frontmann der beiden NWOBHM-Legenden Blitzkrieg und SATAN schiebt er seit jeher Doppelschichten und obendrein veröffentlichen beide Bands auch noch fast zeitgleich neue Alben – man möchte sich fragen, wann der Mann eigentlich schläft. Nur eine Woche nach Release des schlicht auf den Bandnamen getauften neuen Blitzkrieg-Albums ziehen SATAN mit „Songs In Crimson“ nach. Anders als erstere, die inzwischen nur noch Mr. Ross als Originalmitglied vorweisen können, bestehen SATAN auch nach guten 40 Jahren noch ausschließlich aus Musikern, die schon das 1983 veröffentlichte Debüt „Court In The Act“ eingespielt haben. Authentizität wird also garantiert nicht das Problem dieser Platte sein …
SATAN waren, sind und bleiben die Band, die sich im Spannungsfeld zwischen traditionell und progressiv so wohlfühlt wie kaum eine andere. Auch auf „Songs In Crimson“ punktet die Formation wieder mit Melodien, die stets eingängig, aber nie wirklich vorhersehbar sind. Schon der Opener „Frantic Zero“ funktioniert mit seinen klar in der NWOBHM beheimateten, aber trotzdem stets überraschenden Melodiebögen als hervorragendes Beispiel und auch „Era (The Day Will Come)“ und das in den späten 70ern verwurzelte „Captives“ schlagen in die gleiche Kerbe. So wird auf „Songs In Crimson“ schnell klar, dass SATAN auch vier Jahrzehnte nach ihrem ersten Album noch unverkennbar nach sich selbst klingen und mit keiner anderen Band vergleichbar sind.
Aufgrund der Songstrukturen, die eben immer ein bisschen ausgefuchster als im Genre normalerweise üblich ausfallen, muss man für „Songs In Crimson“ Zeit mitbringen, denn wie eigentlich jedes SATAN-Album kann man auch diese Platte nicht mal eben nebenbei hören. Selbst verhältnismäßig gradlinige Nummern wie „Whore Of Babylon“ oder „Martyrdom“ fallen aufgrund unerwarteter Wendungen oder dezent schräger Harmonien sperriger als bei manch anderer NWOBHM-Band aus. Wie erwähnt rangieren SATAN auf ihrem neuen Album im Spannungsfeld aus traditionell und progressiv und diese Spannung sorgt auf „Songs In Crimson“ für ordentlich Gänsehaut – nirgends wird das deutlicher als im hymnischen „Sacramental Rites“ und dem überraschend singbaren „Curse In Diguise“.
Klanglich ist „Songs In Crimson“ ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist der erdige, analoge Sound der Platte ein Markenzeichen von SATAN, das hervorragend zum anachronistischen Sound der Truppe passt. Das reichlich „live“ und unproduziert klingende Schlagzeug sowie der insgesamt garagige Klangcharakter sind in diesem Zusammenhang ebenso erwartbar wie erfreulich. Gleichzeitig kann man sich beim Hören nicht völlig der Frage verschließen, wie diese starken Songs wohl ankommen würden, wenn man ihnen ein etwas aufgeräumteres und polierteres Klangbild spendiert hätte. Vor allem der Umstand, dass eine der beiden Rhythmusgitarren warm und eben erdig und die andere unangenehm harsch klingt, stößt unangenehm auf.
Es wurde im Review bereits angesprochen und beschreibt die Qualität von „Songs In Crimson“ perfekt: SATAN klingen auch auf ihrem siebten Album nur nach sich selbst und damit wie keine andere Band. Der melodiöse und doch progressive, stellenweise fast psychedelische Sound der Truppe aus Newcastle lässt bei all seiner verspielten Andersartigkeit nie Eingängigkeit vermissen, weshalb auch diese Platte ebenso viele Gänsehaut- wie Überraschungsmomente bietet. Mit „Court In The Act“ waren sie ihrer Zeit um Lichtjahre voraus und auch 40 Jahre später sind SATAN mehr als „nur eine NWOBHM-Band“, denn auf „Songs In Crimson“ liefern Brian Ross und Co. einmal mehr schaurig schöne Melodien und intelligente Texte verpackt in sorgfältig durchdachte Songs. Bitte niemals aufhören!
Wertung: 8.5 / 10
Sehr gut zusammengefasst! Es ist genau dieses überraschende Moment, das Satan ausmacht. Sieht man bei vielen anderen Bands der NWoBHM schon von weitem, wo das Lied hingaloppiert und was als nächstes kommt, ist es bei Satan ein plötzlicher Melodiebogen hier, ein Drumwechsel auf die Ride dort, die immer wieder überraschen, gleichzeitig aber perfekt passen und nie l’árt pour l’árt sind, sondern stets songdienlich. Eine wahnsinnig gute Band, noch immer. Und auch live ne Granate!