November 2016

Review Saor – Guardians

  • Label: Northern Silence
  • Veröffentlicht: 2016
  • Spielart: Black Metal

2014 bannte Andy Marshall mit seinem Solo-Projekt SAOR den Geist der schottischen Highlands in fünf zutiefst bewegende Songs, die zusammen dessen zweites Album „Aura“ bildeten. Für seine neue Platte „Guardians“ hat der Schotte abermals einige illustre Gast- und Sessionmusiker um sich geschart, um mit seinem Celtic Black Metal erneut für eine knappe Stunde lang seiner Heimat und der Natur zu huldigen. Wie es bereits das kältere, hellere Artwork vermuten lässt, ist SAOR im Herzen gleich geblieben – und zeigt sich doch von einer neuen Seite.

Mit sanften Clean-Gitarren und dem Krächzen der Vögel versetzt uns SAOR im eröffnenden Titeltrack sogleich in eine weitläufige Landschaft, die man spätestens ab dem Einsatz hymnischer Sackpfeifen als die Gebirge Schottlands erkennt. Immer mehr bäumt sich die Musik – vor allem über das kraftvolle Drumming – auf, bis uns SAOR mit unglaublich epischen Leadgitarren und kriegerisch gebrüllten Screams vollends der Wirklichkeit entreißt. Die wunderschönen, natürlichen Tin-Whistles, die den Klang von „Aura“ entscheidend geprägt hatten, hat sich SAOR erst für den Schluss aufgehoben und auch auf den übrigen Songs werden sie wesentlich sparsamer eingesetzt. Das mag anfangs ein wenig enttäuschend sein, doch spätestens ab dem zweiten Hördurchlauf wird klar, dass diese Neuausrichtung der einzig logische Schritt für SAOR war, um nicht auf der Stelle zu treten.
Denn so entfaltet das wundersame Blasinstrument, wenn es dann wieder zum Einsatz kommt, eine umso packendere Wirkung, außerdem ist dadurch die Gewichtung der verschiedenen Metal- und Folk-Instrumente viel ausgewogener. Insbesondere die gefühlvollen Streicher stehen dadurch öfter im Mittelpunkt, aber auch die mitreißenden, majestätischen und melancholischen Riffs („Tears Of A Nation“) dürfen gefühlt vermehrt im Rampenlicht stehen. Doch auch im Songwriting zeigt sich SAOR konsistent, aber keineswegs festgefahren. Während nämlich das getragene „Autumn Rain“ zu Beginn mit seinen Streichern und sanften, schwermütigen Gitarren überraschend romantisch klingt, vermittelt das im Folk verwurzelte, in Black Metal hineinwachsende „Hearth“ mit seinen fast schon dramatischen Geigen, den kraftvollen Akustikgitarren und dem emotionalen Klargesang ein Gefühl des Aufbruchs.
Dass diesmal jemand anderer hinter dem Drumkit sitzt, merkt man von Anfang an. Das Schlagzeugspiel wirkt um einiges fokussierter als noch auf „Aura“, sodass auf Double-Bass und Blasting nur noch dann zurückgegriffen wird, wenn es der Dynamik zuträglich ist. Obwohl Andy Marshall sich als Songwriter eindeutig weiterentwickelt hat, offenbaren die Melodien erst nach zwei bis drei Durchläufen ihre volle Pracht, wodurch es letztlich schwer ist, zu sagen, ob „Guardians“ insgesamt mitreißender ist als „Aura“. Eine Sache hat sich jedoch unbestreitbar zum Positiven verändert: die Produktion. Die ist diesmal nämlich zeitgemäß und klar, aber dennoch sehr natürlich.

Ein Album wie „Aura“, das trotz technischer Makel von Anfang bis Ende fasziniert, zu übertreffen, ist beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, doch es scheint SAOR tatsächlich gelungen zu sein. Rein objektiv wurde hier natürlich einiges besser gemacht, doch sogar von einem subjektiven Standpunkt aus betrachtet braucht „Guardians“ den Vergleich nicht zu scheuen, denn man hat die Songs innerhalb kürzester Zeit ins Herz geschlossen. Es gäbe noch so viel mehr darüber zu sagen, doch um den Rahmen nicht zu sehr zu sprengen, muss wohl die Feststellung genügen, dass es sich hierbei um ein einmaliges Meisterwerk atmosphärischen Metals handelt.

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Wertung: 9.5 / 10

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