Review Saltatio Mortis – Brot und Spiele

„Die Wurzeln haben wir vergessen und sind schrecklich arrogant, und um tatsächlich gut zu sein, sind wir leider zu bekannt“ – so hatten SALTATIO MORTIS auf ihrem 2015er Album „Zirkus Zeitgeist“ die häufige Kritik an ihren neueren Werken und dem veränderten eigenen Klang augenzwinkernd zusammengefasst. Und in der Tat haben Alben wie „Das schwarze IXI“ oder eben „Zirkus Zeitgeist“ musikalisch sowie inhaltlich mit traditioneller Mittelalter-Musik nur noch bedingt zu tun, was sie jedoch alles andere als schlecht macht. Auch auf „Brot und Spiele“ bleiben SALTATIO MORTIS der Linie, Punk Rock und Metal mit Mittelalter-Melodien zu unterlegen, prinzipiell treu. Dennoch hatte die Band dieses Mal offensichtlich keine Lust auf den Vorwurf, sich von ihren Wurzeln vollständig entfernt zu haben. Neben ein paar Nummern des eigentlichen Albums, die in der Tat verstärkt an frühere Zeiten erinnern, liegt der Platte mit „Panem Et Circenses – Ad Fontes“ im Grunde ein komplettes weiteres Album bei, das neue Songs im völlig unverfälschten Mittelalter-Stil bietet. Ein guter Kompromiss?

„Große Träume“, die erste Single des eigentlichen Albums, bekräftigt musikalisch die viel zitierten Vergleiche mit den Toten Hosen und den Böhsen Onkelz zunächst. Selbst für aktuelle Band-Verhältnisse ist der Song sehr deutsch-rock-lastig und bietet, abgesehen von den Dudelsack-Melodien, im Grunde gar nichts, was an SALTATIO MORTIS erinnert. Diese lassen sich anhand der übrigen Nummern aber glücklicherweise durchaus heraushören, wenn man eben die neue Ausrichtung der Gruppe im Kopf hat, sodass sich „Brot und Spiele“ musikalisch in erster Linie mit dem Vorgänger vergleichen lässt. Songs wie „Besorgter Bürger“ – unschwer zu erahnen, dass es sich hierbei um eine Kritik am Rechtspopulismus bis -Extremismus handelt – oder der medienkritische Titelsong sind textlich vollends am Puls der Zeit, lassen neben kräftigen Riffs aber auch typische Mittelalter-Melodien mit erheblich hohem Ohrwurmfaktor zu keiner Zeit vermissen. Das kennt man so ähnlich von den letzten Alben und es wird auf „Brot und Spiele“ in ähnlich hoher Qualität betrieben. Mehr vom gleichen Neuen, könnte man sagen, und doch wirken die Songs keineswegs ausgelutscht. Positiv fällt zudem auf, dass Sänger Alea seine Vocals immer öfter auch um eine sehr raue Lage erweitert, die ihm gut zu Gesicht steht.

Ganz verzichten muss der alteingesessene Hörer auf Mittelalter-Flair aber nicht – und das bezieht sich nicht nur auf den schon erwähnten zweiten Teil des Doppelalbums (keine Sorge, wir kommen noch darauf zu sprechen), sondern auch „Brot und Spiele“ selbst lässt bei all der Modernität alte Einflüsse nicht außen vor. Wenn ein Song schon den Titel „Mittelalter“ trägt, muss dieses doch auch darin stecken, oder? In erster Linie handelt es sich um ein überaus geselliges Party-Lied, auf welchem SALTATIO MORTIS auch gesangliche Unterstützung von Snorre (Versengold) und Mr. Hurley (Mr. Hurley und die Pulveraffen) erhalten. Wer bei dem Titel Hoffnung auf einen ernsthaften Song zu dem Thema gehegt hatte, wird enttäuscht, dennoch handelt es sich hierbei um eine Nummer, die sich textlich als auch musikalisch in dieser Form passend in ein altes Album der Band eingefügt hätte. Wem das noch nicht genügt, dem sei der Song „Brunhild“ ans Herz gelegt. Ob SALTATIO MORTIS den berühmten Sagenstoff aus dem Nibelungenlied korrekt wiedergeben, sei einmal dahingestellt. Fakt ist aber, dass es sich hier um ein ehrliches, emotionales musikalisches Kleinod handelt, in dem hörbar viel Herzblut und vermutlich mehr Mittelalter-Flair als in den letzten beiden Alben zusammen steckt.

Und wem das noch nicht genügt, für den kommt „Panem Et Circenses – Ad Fontes“ ins Spiel, der zweite Teil des Albums, dem die Beschreibung „Bonus-CD“ keinesfalls gerecht würde. Satte 13 weitere, ebenfalls neue Nummern bieten SALTATIO MORTIS hier, die den Mittelalter-Sound der Band wieder voll aufleben lassen. Die Musiker inkorporieren dazu aber nicht einfach nur mehr entsprechende Elemente in den Songs, man geht sogar noch einen Schritt weiter und stellt Instrumente wie E-Gitarre vollends in den Schrank. Was bleibt, ist die pure, unverfälschte Mittelalter-Folk-Dröhnung, Fremdsprachen und Instrumental-Stücke inklusive. Damit ist „Panem Et Circenses – Ad Fontes“ derart mit grandiosen und vor Mittelalter-Stimmung nur so strotzenden Nummern wie „Heimdall“, „Raghs-E-Pari“ oder das textlich berührende „Epitaph To A Friend“ angereichert, dass In Extremo die Platte vor 20 Jahren kaum besser hätten schreiben und aufnehmen können.

Wer heutzutage noch daran glaubt, dass SALTATIO MORTIS mal wieder komplett die Band wird, die sie in ihrer Anfangszeit waren, glaubt eventuell auch, dass (der Querverweis in ein vollkommen anderes Genre sei gestattet) Darkthrone mal wieder ein waschechtes Black-Metal-Album abliefern werden. Nicht einfach zu sagen, welches Szenario wahrscheinlicher ist – sicher ist aber, dass SALTATIO MORTIS mit dem Album-Doppelschlag „Brot und Spiele“ und „Panem Et Circenses – Ad Fontes“ ein sehr überzeugendes Werk gelungen ist. Das Haupt-Album, wenn man so will, reicht insgesamt nicht ganz an den Vorgänger „Zirkus Zeitgeist“ heran, gerade im Zusammenspiel mit dem zweiten Teil liegt allerdings ein rundum sehr gutes Komplettpaket vor, welches sowohl für neuere Fans als auch für diejenigen, welche die Wurzeln der Band schmerzlich vermissen, reichlich überaus hörenswertes Material bietet.

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Wertung: 8.5 / 10

Publiziert am von Pascal Weber

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