SAINT VITUS sind eine der, wenn nicht DIE Legende des Doom-Metal-Sektors (unter der Prämisse selbstverständlich, dass man Black Sabbath gerne auch als Hard Rock verortet). Dazu ist der Name so präsent in der Szene, dass man gar nicht glauben mag, dass das letzte Album der Amerikaner aus dem Jahre 1995 stammt. Die Truppe hat sich Zeit gelassen, einen neuen Magenschwinger aus dem Ärmel zu schütteln.
„Lillie F-65“ hört man allerdings weder an, dass es im neuen Jahrtausend geschrieben wurde, noch, dass es erst vor kurzem aufgenommen wurde. Die Songs baden förmlich im Doom-Vibe, dementsprechend bestimmen verzerrte, schleppende Gitarren das Soundbild. Die misanthropische, okkulte Attitüde, die dieses Genre verbreitet, ist und bleibt in vielerlei Hinsicht eindrucksvoller, als extremere Stilrichtungen mit ähnlichen Ambitionen sie verbreiten können. Und dennoch vergessen SAINT VITUS nie, woher sie kommen, dass ihre Richtung unmittelbar mit dem Rock verknüpft ist. Während der eröffnende Hammer „Let Them Fall“ in seiner schieren Epik wie der depressive Bruder eines Pink-Floyd-Opus anmutet, zeugt das Zwischenspiel „Vertigo“ von der Fähigkeit SAINT VITUS‘, auch melodische Gitarren zur Geltung zu bringen. Die Band verfolgt eine Herangehensweise an den Doom, die vielen neuen Bands der Genres fremd ist – man muss die Abwechslung und die Aussage eines Songs nicht über Bord werfen, um Druck zu erzeugen. Zwar rangiert auch das Material von „Lillie: F-65“ über weite Strecken in schleppenden Bereichen, innerhalb dieses Rahmens ist aber durchaus Variation vorhanden, man stelle nur das groovige „Blessed Night“ gegen das verschrobene „The Waste Of Time“ – trotz der äußerst traditionellen Umsetzung kommt man sich nicht vor, als würde man ständig mit ein und der selben Idee gelangweilt. Die rockige Attitüde tut ihr Übriges dazu, der Platte ihren Charme nicht absprechen zu können.
Trotzdem ist auch an dieser Scheibe nicht alles, was glänzt, Gold. In all seiner Konsistenz könnten die Songs in Sachen Gesang ein wenig mehr Abwechslung vertragen, hier hat sich Scott Weinrich vielleicht etwas zu sehr darauf verlegt, immer möglichst wenige, kehlige Worte eher in den Raum zu sprechen zu singen. Ein oder zwei mehr prägnante Refrains im Stile von „Let Them Fall“ hätten hier durchaus gutgetan.
Durch seine angenehme Länge von 34 Minuten verzeiht man das „Lillie: F-65“ aber gerne. SAINT VITUS liefern hiermit ein gelungenes Comeback, das vielen Nacheiferern zeigt, dass klotzen besser als kleckern ist. Bleibt zu hoffen, dass die Band die offenbar wiedergefundene Kreativität zeitnah für ein weiteres Album nutzt und nicht wieder 15 Jahre für das nächste Album braucht. Dafür ist „Lillie: F-65“ definitiv zu cool geworden.
Wertung: 7.5 / 10