Die Prometheus-Geschichte ist ein immer wieder auch im Metal verarbeiteter Mythos, der nun auch für SAILLEs neues Werk „Gnosis“ herhalten musste. Nachdem Bandgründer Dries Gaerdelen, der die belgische Formation 2008 ursprünglich als Studioprojekt gegründet hatte, ausgestiegen war, nahmen die restlichen fünf Musiker ihr viertes Album auf.
Inwiefern der Ausstieg Gaerdelens einen Einfluss auf die Musik hatte, lässt sich schwer beurteilen. „Gnosis“ ist immer noch voll von seinen dieses Mal nur als Sessionmusiker beigetragenen Streicher- und Chorflächen, obgleich diese nur atmosphärisches Beiwerk darstellen, während die Gitarren klar die Melodieführung übernehmen. Fest steht jedoch, dass SAILLE mit ihrer vierten Scheibe kein wirklich neues Territorium betreten. Auch neun Jahre nach ihrer Gründung zeigen sich die fünf Belgier in Sachen Songwriting erneut absolut solide, ohne dabei groß zu überraschen. Die Stücke grasen sowohl niedrige, als auch hohe Tempi ab, es wird viel geschrammelt, geblastet und alles wird schön flächig mit Synthies ausgebreitet. Vielleicht liegt es daran, dass Dimmu Borgir vor mittlerweile rund 20 Jahren in diesem Gebiet schon alles Nötige gesagt haben, aber „Gnosis“ wirkt schon beim ersten Durchlauf ein wenig angestaubt. Melodischer Black Metal, wie man ihn einfach schon zu oft gehört hat.
Das klingt als Urteil zunächst hart und unfair. Denn immerhin, das muss man eingestehen, versteht die Band die Mechanismen des Genres problemlos und erschafft durchaus eine sehr ansprechende Klangwelt auf „Gnosis“. Songs wie „Prometheus“, „Blôt“ oder das sehr gelungene Abschlusslied „1904 Era Vulgaris“ haben einige starke, vorantreibende und stimmige Passagen sowie schöne Melodien zu bieten und auch die anderen Songs stehen diesen Stücken nur in wenig nach. Doch um als Platte in der Masse der Veröffentlichungen wirklich große Beachtung und Wertschätzung zu finden, also einen richtig begeisternden Eindruck zu hinterlassen, gehört im Jahre 2017 dann eben doch etwas mehr dazu. Was SAILLE nämlich leider ein wenig vermissen lassen, ist ein wirklich individueller Stil und Höhepunkte in den Songs. Selbst wenn man ein Album aufnimmt, das sein hohes Niveau konstant halten kann, braucht es dann doch noch mehr, um im Gedächtnis zu bleiben.
Was der Scheibe leider auch gar nicht zugutekommt, ist die stellenweise schlampige Spielweise. Wem auch immer das geschuldet sein mag, Saitenfraktion und Schlagzeug passen an manchen Stellen nicht aufeinander, was der Musik leider einen beträchtlichen Teil an Power raubt und gerade in schnelleren Blastbeat-Teilen zu einem unbeabsichtigten, chaotischen Eindruck führt.
Nichtsdestotrotz: Fans von melodischem Black Metal dürften Gefallen an SAILLEs viertem Studiowerk „Gnosis“ finden. Auch wenn Bandgründer Dries Gaerdelen nicht mehr dabei ist, hat die Musik dabei nicht wirklich an Qualität eingebüßt. Das verbleibende Quintett versteht es noch immer, gefälligen Black Metal abzuliefern. Ob die grundsolide Platte jedoch ausreicht, um der Band viel Aufmerksamkeit und zahlreiche neue Fans zu bescheren, dürfte fraglich sein.
Wertung: 6.5 / 10