(Black Metal / Shoegaze) Durchforstet man die schummrigen Untiefen des Black-Metal-Undergrounds auf der Suche nach außergewöhnlicher Musik, stößt man früher oder später mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf das eine oder andere Projekt, das einen derart aberwitzig großen Output hat, dass einem vor Unglauben unweigerlich die Kinnlade herunterklappt. Der aus Mexiko stammende Solomusiker Elisa liefert hierfür mit seinem Blackgaze-Outlet SADNESS ein anschauliches Beispiel: Seit 2014 hat die Ein-Mann-Band sage und schreibe dreizehn Alben veröffentlicht, dazu auch noch einige Demos und Splits. „Circle Of Veins“ ist somit bereits die vierzehnte Full-Length-Platte in sechs Jahren, inzwischen wurde mit „I Want To Be There“ sogar schon der Nachfolger veröffentlicht – selbst als bloßer Hörer ist es da nicht leicht, Schritt zu halten.
Ein solch rasantes Veröffentlichungstempo wirft natürlich zwangsläufig die Frage auf, ob in dem jeweiligen Projekt schlichtweg Quantität über Qualität gestellt wird. Im Fall von SADNESS lautet die Antwort darauf: jein. Mit seiner Laufzeit von 55 Minuten (sofern man die als Bonustrack enthaltene Alternativ-Version des Openers „Eye Of Prima“ mitrechnet, sind es sogar 63 Minuten) ist „Circle Of Veins“ zwar tatsächlich ausgesprochen üppig ausgefallen, dabei handelt es sich jedoch keineswegs bloß um musikalisch gehaltloses Füllmaterial. Der bereits erwähnte Opening-Track etwa braucht anfangs noch ein wenig Zeit, um in die Gänge zu kommen, entpuppt sich mit seinen erhebenden, mehrstimmigen Clean-Vocals und seinen hoffnungsvollen, hellen Tremolo-Gitarren schließlich jedoch als Vorzeigebeispiel für wahrhaft berührenden Blackgaze.
In weiterer Folge löst sich SADNESS außerdem zunehmend von der Basis des Genres und lässt vermehrt elektronische Klänge in die Songs einfließen. Sphärische Keyboards und Pianonoten hüllen beispielsweise „Cerrien“ in einen wundersamen Mantel aus vertontem Sternenlicht, wohingegen die energiegeladenen Electro-Sounds auf „Lana“ eher in die Trance-Richtung gehen. Dabei ist „Circle Of Veins“ trotzdem kein banales Feel-Good-Album. Es steckt ein Schmerz in diesen Liedern, aber eben auch eine unbeugsame Lebensfreude – eigentlich ein todsicheres Rezept für eine tief bewegende Platte zwischen Black Metal und Shoegaze.
Dennoch kann man SADNESS den Status eines unbedingt empfehlenswerten Geheimtipps nicht ohne Vorbehalte zusprechen. Neben dem Umstand, dass sich zwischen den wundervollen, Gänsehaut auslösenden Melodien doch immer wieder auch nichtssagende Kompositionen eingeschlichen haben (insbesondere im beinahe 26 Minuten langen „I Follow Rivers“), leidet „Circle Of Veins“ an einem schweren Fall von Amateurproduktion. Vor allem die Distortion-Gitarren und der Schreigesang klingen derart dröhnend und unausgeglichen, dass sie im Grunde völlig unanhörbar sind und der Schönheit der übrigen Musik schwer zusetzen.
Angesichts der unfassbaren Geschwindigkeit, mit der Elisa neues Songmaterial hervorbringt, hat der unermüdliche Einzelmusiker mit „Circle Of Veins“ ein wirklich beachtenswertes Album geschaffen. In einigen Momenten gelingt es SADNESS tatsächlich, die in den Stücken verarbeiteten Gefühle derart ergreifend zu kanalisieren, wie es sonst nur die ganz Großen des Genres schaffen. Der fürchterlich unausgegorene Sound lässt sich jedoch leider nicht gänzlich ausblenden. Wer hohe Anforderungen an die Tonqualität einer musikalischen Veröffentlichung stellt, kann „Circle Of Veins“ somit getrost ungehört lassen. Wer hingegen auch Bands wie Falaise trotz ihrer offensichtlichen Schwächen in Bezug auf Performance und Produktion zu schätzen weiß, sollte SADNESS unbedingt Gehör schenken.
Wertung: 6 / 10