Ein bisschen wirkt es ja schon wie ein anhand der regen Nachfrage der Hörerschaft kalkulierter Schachzug: Kaum hatte Andy Marshall angekündigt, das nächste Album seiner hochgelobten Ein-Mann-Band Saor über ein anderes Label zu veröffentlichen, fand sich mit RUADH plötzlich ein weiteres, schottisches Melodic-Black-Metal-Projekt mit Folk-Untertönen im Roster von Northern Silence. Ein Versuch, die Abwanderung der rapide wachsenden Saor-Fangemeinde zu Avantgarde Music durch einen möglichst gleichwertigen Ersatz zu bremsen oder doch nur ein unwahrscheinlicher Zufall? Über die Intention lassen sich natürlich bloß Vermutungen anstellen und eigentlich tut es nichts zur Sache, geht es doch letztlich nur darum, ob Einzelkünstler Tom Perrett mit „Sovereign“ ein eigenständiges, hörenswertes Debüt zustande gebracht hat, das sich nicht bloß aus etwaigen Hypes um andere Bands speist.
Perrett mag sich in erster Linie von Windir, Bathory und Burzum inspiriert sehen, die zahlreichen Gemeinsamkeiten, die RUADH und Saor miteinander teilen, lassen sich dennoch kaum von der Hand weisen. Die Parallelen erschöpfen sich keineswegs in der geographischen Herkunft und der stilistischen Ausrichtung beider Projekte, sondern ziehen sich auf „Sovereign“ durch nahezu sämtliche Tracks. Viele der zum Einsatz kommenden Stilmittel wie etwa die grobschlächtigen Screams, die gelegentlich aus dem Hintergrund hervordringenden Klargesänge, die hochmelodischen, taufrischen Gitarrenläufe – insbesondere im erhaben voranschreitenden Titeltrack – und das schwungvolle Drumming könnten ebenso gut Andy Marshalls Handschrift tragen.
Handelt es sich bei dem Debüt von RUADH also bloß um einen halbgaren Aufguss eines Sounds, den eine andere, originellere Band schon längst perfektioniert hat? Nein, ein derart vernichtendes Urteil täte der Platte doch Unrecht. Innovativ oder nicht, RUADH verarbeitet in den sechs Stücken, die auch schon mal die Zehn-Minuten-Marke überschreiten, einige wirklich interessante Ideen. Vor allem das stimmige Gitarrenspiel überzeugt praktisch auf ganzer Linie, seien es nun die schwebenden Leadmelodien auf „Under Its Branches“ oder die eher bodenständigen und zugleich majestätischen Arrangements im bereits erwähnten Titeltrack. Darüber hinaus gibt es doch eine signifikante Eigenheit, die RUADH von seinem vermeintlichen Vorbild unterscheidet.
Im Gegensatz zu Marshall verzichtet Perrett gänzlich auf Folk-Instrumente wie Flöten oder Sackpfeifen und macht stattdessen von atmosphärischen Keyboardklängen Gebrauch, denen er mit dem beinahe schon meditativen „A Quiet Place“ sogar ein ganze sechs Minuten langes Zwischenspiel widmet. Trotz all dieser Vorzüge ist jedoch nicht zu überhören, dass RUADH in einigen Punkten noch Aufholbedarf hat. Die Vocals und das Schlagzeug klingen beispielsweise eher plump – den Tiefpunkt bildet hierbei „We Will Rise Again“, in dem sogar die Gitarren die Eleganz der übrigen Tracks vermissen lassen – und einige der Übergänge zwischen verschiedenen Parts geschehen zu abrupt.
Obwohl es angesichts der nicht zu unterschätzenden Unterschiede zwischen den beiden Projekten nicht angebracht wäre, RUADH komplett auf die Gegenüberstellung mit Saor festzunageln, kann man sich des Vergleichs doch nur schwer erwehren. „Sovereign“ ist keinesfalls die schamlose Nachbildung eines aktuell beliebten Stils, für die man das Album aufgrund der Umstände seiner Veröffentlichung halten könnte, hat in puncto Originalität aber definitiv noch Luft nach oben. Die Klangqualität und das Songwriting hätten ebenfalls einer eingehenderen Feinabstimmung unterzogen werden können. Alles in allem finden sich in den meisten Tracks auf „Sovereign“ jedoch mehr als genug schöne Einfälle, weshalb es sich auf jeden Fall lohnt, RUADH ein wenig Aufmerksamkeit zu schenken.
Wertung: 7 / 10