Review Rough Silk – A New Beginning

  • Label: Dockyard 1
  • Veröffentlicht: 2009
  • Spielart: Hard Rock

ROUGH SILK sind eine feste Konstante im Hard Rock. Bereits 1989 wurde die Band vom Allrounder Ferdy Doernberg in der heimlichen deutschen Rock- und Metalhauptstadt Hannover gegründet. Obwohl Doernberg in etlichen weiteren Projekten mitwirkt (die bekanntesten sind wohl Axel Rudi Pell, Taraxacum und Roland Grapow) wurden seit 1993 in aller Regelmäßigkeit Alben veröffentlicht, die durchweg auf positive Kritiken stießen. Etwas ruhiger wurde es nach dem Release der letzten Scheibe „End Of Infinity“. In der Zwischenzeit hat Ferdy Doernberg ROUGH SILK ziemlich umgekrempelt und sozusagen eine Frischzellenkur verpasst. Mit Mike Mandel, Andre Hort und Alex Wenn holt er sich wesentlich jüngere Mitstreiter ins Boot. Sie sollen wohl auch frischen Wind in das Konzept von ROUGH SILK bringen. Zum 20-jährigen Bandjubiläum erscheint nun der achte und neueste Streich „A New Beginning“. Schauen wir mal, womit uns Ferdy und seine verjüngte Truppe überraschen werden.

Eines kann ich vorweg nehmen: so viel Abwechslung gab es auf noch keinem ROUGH-SILK-Album. Die Bandbreite des Sounds reicht von balladesken Akustiknummern über tiefgründige Progressive-Rocker, groovige Hardrocker bis zu astreinen Metal-Tracks. Der Opener „Temple Of Evil“ ist ein fetter Mid-Tempo-Stampfer mit einem schön herausgestellten Refrain und erinnert mich in seiner Machart ein wenig an Kompositionen von Axel Rudi Pell. Noch eine Spur wuchtiger ist „Home Is Where The Pain Is“ (was für ein Titel!). Hier wummert der Bass, dass die Boxen dröhnen. Wer aber denkt, dass damit das Ende der Härteskala erreicht wäre, täuscht sich. Auch bei „Reborn To Wait“ regiert dynamisch groovender Heavy Rock und bei „Black Leather“ werden gar die Grenzen zum Heavy Metal überschritten und Ferdy mutiert kurzzeitig zu einem stimmlichen Double von Peavy Wagner.
Doch nicht alleine Dynamik und Power sind die Marschrichtung auf „A New Beginning“. Der gute Ferdy zaubert in Sachen Songwriting noch viel mehr aus dem Ärmel. „The Roll Of The Dice“ ist mit seinen Wechseln zwischen ruhigen, fast atmosphärischen Abschnitten und druckvollen Phasen ein Prog-Rocker nach Maß. Abgerundet wird die Maßnahme von Queen-liken Chorälen und Gitarrenleads. Eine gleichermaßen ungewöhnliche wie faszinierende Nummer, die aber sämtliche Finessen von Doernbergs Kompositionskunst aufzeigt.
Ein recht simpler, aber flott ins Ohr gehender Rock’n’Roller ist dagegen „When The Circus Is Coming To Town“, während „Warpaint“ düstermetallisch anmutet. Ein weiteres Highlight in Sachen Songwriting ist „Sierra Madre“. Der Song beginnt mit Klängen, wie man sie von Tito & Tarantula erwartet. Dazu ein bisschen Western-Movie-Flair als Untermalung. Gerade fühlt man sich gedanklich ins mexikanisch-amerikanische Grenzgebiet versetzt, als plötzlich eine Power-Attacke ausgepackt wird, die stark an U.D.O. zu toughesten Zeiten erinnert. Im weiteren Verlauf werden beide Anleihen so ein wenig vermischt, was erneut eine richtig innovative Komposition entstehen lässt. Angesichts solchen songwriterischen Überraschungen bleibt dem Rezensenten manchmal vor Verblüffung der Mund offen stehen.
Mit ausgerechnet dem Titeltrack hat sich ein Stück eingeschlichen, dass aber so gar nicht meines ist. Ferdy verwurstelt hier einen fast doomigen Sound mit Nu Metal und noch anderen abstrakten Einflüssen. Das ist mir nicht stimmig genug. Allerdings ein weiteres Markenzeichen der Vielfalt auf „A New Beginning“. Ebenso wie das eingängige, fast punkrockende „We´ve Got A File On You“.
Das Ende des Albums gehört dann ganz der emotionalen Seite. „We All Need Something To Hold On“ ist eine gefühlvolle Schmusenummer, die Ferdy mit seiner leicht rauchigen Stimmlage ausgezeichnet performed. Und das melancholische Piano-Schlussstück „A Song For Hilmer“ ist dem ROUGH-SILK-Mitbegründer Hilmer Staacke gewidmet, der 2006 verstarb.

Ich sagte es bereits: so abwechslungsreich waren ROUGH SILK noch nie. Ferdy Doernberg hat sich in Sachen Songwriting selbst übertroffen. Und es ist auch nicht zu überhören, dass seine neuen Mitstreiter wirklich viel frischen Wind in den Sound einbringen. Was für eine Power, was für eine Heaviness teilweise! Ich tue mir fast schwer, dass Album unter Hard Rock einzuordnen, da so oft der Metal tangiert wird. Letztendlich ist es natürlich die richtige Kategorie, und von dort aus wird sehr vielfältig in den angrenzenden Spielarten „gegrast“.
Die technische Leistung der Instrumentalisten ist über jeden Zweifel erhaben. Die Musiker ergänzen sich Prima und verströmen allesamt ungeheure Energie und Intensität. Ferdy Doernberg wird zwar nie zu den großartigsten Sängern des harten Rock zählen, doch setzt er seine Stimme auf „A New Beginning“ recht variabel und immer sehr songdienlich ein. Das will auch erstmal gekonnt sein.

„A New Beginning“ ist in meinen Augen nicht nur das abwechslungsreichste, sondern auch das beste Album in der Historie von ROUGH SILK. Die Hannoveraner setzen damit ein Zeichen in der Spielart und beweisen, dass mit ihnen weiterhin zu rechnen ist.

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 6. April 2013 von Metal1.info

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