Review Rocket Scientists – Revolution Road

Die ROCKET SCIENTISTS haben unter Kritikern und Hörern keinen allzu leichten Stand. Ursprünglich das Hauptbetätigungsfeld von Erik Norlander, der hier seine Neigung zu Progressive Rock ausleben wollte, dümpelte die Band in den letzten Jahren aufgrund verschiedener anderer Projekte und tiefer Einschnitte in der Besetzung (siehe unten) ziemlich dahin, sodass das letzte Studiowerk „Obliveon Days“ schon einige Zeit – nämlich ganze sieben Jahre – zurückliegt.

Nun melden sich Erik Norlander, Marc McCrite und Don Schiff gleich doppelt zurück. Das neue Album hört auf den Namen „Revolution Road“ und ist gleich ein Doppeldecker mit einer Gesamtspielzeit von ziemlich genau 100 Minuten geworden. Ich habe nie so recht nachvollziehen können, warum die ROCKET SCIENTISTS in der Presse so schlecht wegkommen und somit auch kaum Leute auf die Musik der Band aufmerksam wurden, schließlich ist Erik Norlander durchaus ein großer Name in der Szene und die Musik der ROCKET SCIENTISTS weißt weder den Dudelfaktor seiner Solowerke, noch den stumpfen, kitschen Hardrock-Soundmatsch auf, den er und seine Frau Lana Lane in regelmäßigen Abständen auf die Musikwelt loslassen. Soll heißen: Wenn Norlander, dann ROCKET SCIENTISTS.

Ein Grund dafür, dass die Band nie so recht von sich reden machen konnte, wird recht schnell klar: Sie bewegen sich im recht dünn besiedelten Feld der sogenannten MelodicProg-Acts, das auch Bands wie Asia, Saga und Enchant bevölkern. Das Problem, dem sich alle diese Gruppen gestellen müssen: Sie sind oftmals durch ihre ausufernden Instrumentalparts und unorthodoxen Arrangements (für Melodic Rock-Verhältnisse) zu komplex für die Melodic Rock-Fraktion, während die Hardcore-Progger sich bei den Jungs langweilen. Sie stehen zwischen den Stühlen, nur weil sie so ziemlich die organischste Musik machen, die man sich vorstellen kann.

Die ROCKET SCIENTISTS stehen eben auch auf richtige Songs, in denen vor allem eine gelungene Gesangsmelodie im Zentrum des Geschehens steht. Sänger Marc McCrite hat dann auch die typische AOR-Stimme, wie man sie bei dieser Art von Musik erwartet und hören will. Instrumentalpassagen gibt es nur an der üblichen dafür vorgesehenen Stelle – auch wenn diese Soloabfahrten dann durchaus sehr wohlerklingend daherkommen, insbesondere Erik Norlander weiß mit seinen Soli immer wieder zu gefallen und bietet dem Hörer auch eine breite Soundpalette zwischen 70er Retroprog bis 90er Progmetal an. An der Gitarre gibt es mal epische, mal emotionale Solospots, ganz nach der tradionellen Melodic Rock- und Neoprog-Schule. Auch wenn der Großteil der Songs mit Gesang aufwartet, unter den insgesamt 18 Tracks finden wir mit „Look Up“, „Outside The Painted Walls“, „Ptolemy“, „UFO S.H.A.D.O. Theme“, „Hold That Thought“ und dem überlangen, neoproggig-floydigen „After The Revolution“ auch noch sechs Instrumentalsongs, in denen sich die Band nach Lust und Laune austobt und den Melodic Rock-Rahmen, den viele Songs haben, über Bord wirft. Highlights sind aber meistens die Stücke, in denen man beide Puzzleteile gelungen kombiniert, wie im einfühlsamen, abwechslungsreichen „Better View“, „House Of Cards“ und dem genial-ohrwurmigen Titelstück. Hinzu kommt eine Ansammlung netter AOR-Rocker („Pay Your Dues“, „Eden Burns“) und Schnulzballaden im Toto-Stil, die man eben mögen muss (was ich ausdrücklich tue!), die aber auf lange Sicht wohl recht ermüdend wirken und an Reiz verlieren. Sinnlos ist ein Studio-Überbleibsel wie das eröffnende, 45-sekündige Keyboardsolo „Look Up“ – das 13-minütige Ending „After The Revolution“ hat wundervolle Passagen, versickert aber viel zu sehr in der zu gewollt klingenden Pink Floyd-Atmosphäre.

Resümierend bleibt aber eine durchaus gelungene Scheibe über, die einige Highlights und tolle Nummern aufzuweisen hat und sicherlich nicht zu selten unter Längen leidet – was ich hier aber absolut nicht negativ bewerte, denn beide Silberlinge könnten problemlos zwei eigenständige Alben sein. Viel eher stört mich da, dass die Scheibe produktionsbedingt nur sehr selten wirklich rockt, sie ist viel zu tiefen- und mittenlastig produziert worden, klingt aber nicht drückend, sondern eher verwaschen und unpräzise. Dafür gibt es ein überaus üppiges Booklet, wie immer mit Norlanders „Notes From The Producer’s Desk“, die etwas über die Band und die Entstehungsgeschichte des Albums erzählen.

Ein Wort sollte man vielleicht noch über die auftretenden Gastmusiker verlieren: Die lange Pause kam wohl vor allem deshalb zustande, weil der neue Drummer der Band, Shaun Guerin, vor den Aufnahmen der Platte verstarb. Als Ersatz hat man einen großen Namen arrangieren können: Niemand geringeres als Gregg Bissonette schlägt hier auf die Felle. Von einem Live-Auftritt mit Shaun Guerin hatte man noch Drumspuren von „Better View“, so dass er doch noch auf dem Album verewigt werden konnte; allerdings spielt er nur den Mittelteil, Intro und Outro wurden von Simon Phillips von Toto eingetrommelt. Mit David McBee hat man zudem einen Gastsänger, der gleich die Hälfte der Tracks eingesungen hat. Klingt nach Copy & Past, wird wohl auch so sein – dennoch ist das Ergebnis zufriedenstellend. Wie auch immer – die Zielgruppe weiß nun, was sie erwartet und eine kleine Anzahl von Leuten, die genau jenen MelodicProg favorisieren, werden sich hier gut aufgehoben fühlen! Allen anderen wird es etwas fad vorkommen.

Wertung: 8 / 10

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