Der Name ROBIN MCAULEY dürfte vor allem älteren Heavy-Metal-Fans noch immer ein zufriedenes Grinsen ins Gesicht zaubern. Von 1986 bis ’93 trat der gebürtige Ire als Frontmann von MSG in Erscheinung, die ihren Bandnamen in dieser Zeit sogar in McAuley Schenker Group änderten. Der Umstand, dass der nicht gerade als bescheiden geltende Michael Schenker für keinen anderen seiner Sänger zu einem solchen Schritt bereit war, ist Beweis genug für das Talent des Mannes. Seither verdiente der Sänger sein Geld über Gelegenheitsjobs bei Hard-Rock-Urgesteinen wie Survivor oder Grand Prix, was seinem enormen Talent allerdings in keiner Weise gerecht wird. ROBIN MCAULEYs Stimme verdient eine Bühne und so ist es höchst erfreulich, dass mit „Standing On The Edge“ nun nach langer Zeit sein zweites Solo-Album erscheint.
Eingeleitet von den stimmigen Synthies des eröffnenden „Thy Will Be Done“ ist „Standing On The Edge“ nicht nur eine Reise zu den wichtigsten Karriere-Haltestellen von ROBIN MCAULEY, sondern schlicht ein Querschnitt des Hard-Rock- und Melodic-Metal-Sounds der Mitt-80er – wobei gerne argumentiert werden kann, dass beides aufs Gleiche hinausläuft. Der irische Sänger verarbeitet in elf Songs so ziemlich alles, was den stadiontauglichen Hard Rock der goldenen Epoche des Genres ausmacht, wobei er nichts von zart bis hart auslässt.
Hart bedeutet in diesem Fall treibender Melodic Metal inspiriert von Bands wie Dokken, was sich auf dieser Platte in authentischen Nummern wie dem Titeltrack oder „Running Out Of Time“ äußert. Zart wird es in den beiden Balladen „Late December“ und „Run Away“. Die beiden Songs sind fast schon witzig, klingen sie mit ihrer meterdick aufgetragenen, klischeebeladenen Schwülstigkeit doch wie die Parodie der übelsten Schlüpferstürmer von Whitesnake, Europe oder Bon Jovi – das soll jedoch nicht bedeuten, dass die Nummern nichts taugen würden, denn 1989 wären sie wahrscheinlich Platin-Hits geworden.
Dazwischen finden sich allerhand gelungene weil stilechte Huldigungen des Westküsten-Rocks der damaligen Zeit. In Nummern wie dem schiebenden „Say Goodbye“ oder „Supposed To Do Now“ vermag „Standing On The Edge“ damit voll und ganz mitzureißen, wohingegen Songs wie „Wanna Take A Ride“ oder „Chosen Few“ von jeder x-beliebigen AOR-Band der 80er stammen könnten. Somit hat man es hier mit einem stilechten, aber auch reichlich vorhersehbarem Album voller traditionsbewusser Hard-Rock-Songs nach amerikanischem Vorbild zu tun, das nur durch ROBIN MCAULEY selbst vor der Zweitklassigkeit bewahrt wird.
Der legendäre Frontmann führt selbst die schwächeren Songs der Platte mit seiner markanten, alterslosen Stimme derart selbstbewusst an, dass er den Hörer trotz oftmals altbekannter Arrangements stets in seinen Bann zieht. Somit kann man, nein muss man im Zweifelsfalle zugunsten des Sängers urteilen: Vielleicht ist das mit der Vorhersehbarkeit ja durchaus gewollt, zumal ROBIN MCAULEY selbst einen Heidenspaß dabei zu haben scheint, sich noch einmal im Sound seiner eigenen Vergangenheit auszutoben.
Es bei ist bei einem Solo-Album nicht unüblich, mit Session-Musikern zusammenzuarbeiten, was bei Frontiers Music fast zwangsläufig bedeutet, dass auch deren Mädchen für alles Alessandro Del Vecchio mit von der Partie sein muss. Weil Mr. McAuley aber beim Songwriting mit Kollegen wie Heart-Gitarrist Howard Leese oder dem Schweden Tommy Denander (u. a. Europe, Van Halen) zusammenarbeitet, ist davon auszugehen, dass jener berüchtigte Frontiers-Ausputzer davon diesmal weitgehend die Finger gelassen hat. Vermutlich auch darum ist „Standing On The Edge“ zwar kein innovatives, aber dennoch ein recht vielseitiges Album geworden: ROBIN MCAULEY trägt in elf Songs jeder Facette seines bisherigen Schaffens Rechnung und liefert so eine Platte voller charmant aus der Zeit gefallener und nicht selten richtig gelungener Hard-Rock-Songs ab. Fans von Dokken, Whitesnake und anderen werden an dieser Platte mit Sicherheit ihre helle Freude haben, denn hier bekommen sie den gleichen Sound wie auf deren stilbildenden Platten mit einem Sänger, der es immer noch draufhat.
Wertung: 7 / 10