RHAPSODY OF FIRE, also das „alte“ Rhapsody um den Ausnahmesänger Fabio Lione und den Komponisten und Keyboarder Alex Staropoli, verfügt über einen beachtlichen Backkatalog von immerhin neun Studioalben und zwei EPs – aber nur über ein Livealbum von 2006. Höchste Zeit also, an dieser Stelle nachzulegen und zudem dem nach Luca Turillis Abgang veränderten Line-up die Gelegenheit zu geben, seine Livefähigkeit zu dokumentieren. Das Ergebnis dieser Bemühungen hört auf den Namen „Live – From Chaos To Eternity“.
Nun mag der eine oder die andere jetzt schon sagen: Moment, RHAPSODY OF FIRE live? Bei all den Effekten, Orchesterspuren und dem Bombast, den die Italiener über ihre Studioalben normalerweise ausschütten? Und tatsächlich hat der Skeptiker hier gleich den Punkt getroffen: Live ist an „Live – From Chaos To Eternity“ lange nicht alles. Die Band benutzt ordentlich Konservenspuren. Dies betrifft besonders die wuchtigen und massiv eingesetzten Chorspuren der jüngeren Alben (z. B. bei „From Chaos To Eternity“, „I Belong To The Stars), irritierenderweise aber auch backing vocals der älteren Alben, wie ganz deutlich bei „Dawn Of Victory“ zu hören. Warum hier nicht einfach die Band den Hintergrundchor singt oder man ihn einfach weglässt, bleibt rätselhaft.
Natürlich kann man einige gute Gründe für die Samples nennen und eine Band wie RHAPSODY OF FIRE, die sich selbst als die Inkarnation des Bombastes versteht, legt eben auch Wert auf solchen Bombast bei den Shows. Dennoch ist es gerade bei einer Live-CD noch eine Spur verwirrender als bei einer DVD, fragt man sich doch nach der ersten Verwirrung die ganze Zeit, welche Effekte denn nun wirklich Live aus dem Chaos entstehen und welche ihre Wirkung doch eher aus der Ewigkeit der Samplespuren ziehen. Wie viel besser es auch geht, beweist Fabio Lione bei „The Magic Of The Wizard’s Dream“, bei dem er schlicht und ergreifend die im Original von Christopher Lee eingesungene Passage selbst singt – in ganz anderer Stimmlage, mit klassischer Intonation und ohne erkennbare Schwierigkeiten bei den häufigen Wechseln. Das Ergebnis kann sich mehr als hören lassen.
Nach dieser kritischen Breitseite nun aber zu den Stärken von „Live – From Chaos To Eternity“: RHAPSODY OF FIRE spielt derartig organisch, überzeugend und mitreißend, dass man aus dieser Aufnahme die Energie einer Live-Show tatsächlich fühlen kann. Ein dickes Lob gilt hier auch dem Mix und der Produktion: Sie geben den Charakter eines Live-Auftrittes präzise wieder. Die Band klingt trotz der vorhin monierten Effekte roh und ungestüm, diverse Ungenauigkeiten und kleine Verspieler tragen dazu perfekt bei und stören kein bisschen. Sie sind ja auch ausdrücklich gewollt, hat die Band doch nach eigener Aussage vollständig auf Overdubs verzichtet hat. Auch das Publikum wird hervorragend eingebunden, sodass sich das Album angenehm von den vielen klinischen Live-Aufnahmen auf dem Markt abhebt. Ganz besonders muss man Sänger Fabio Lione hervorheben, der live einfach unglaublich gut klingt, gerade, weil er nicht jede Note wie auf dem Album singt.
Nun könnte man noch die eine oder andere Kleinigkeit kritisieren, z. B. dass die Tracks nicht einfach ein Konzert sind, sondern zusammengestückelt von der Tour ausgewählt wurden, was man auch an den polyglotten Ansagen hören kann. Ein bisschen Schade ist auch, dass sechs der Tracks auch schon auf dem letzten Live-Album enthalten waren. Hier hätte man sicher auch andere Lieder aufnehmen können. Unter dem Strich bleibt „Live – From Chaos To Eternity“ aber trotz all dieser Kritik immer noch ein wuchtiges Album, das man gerne anhört – vielleicht gerade deshalb, weil RHAPSODY OF FIRE hier nicht so perfekt klingen, wie man es sonst gewöhnt ist.
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