Das RHAPSODY-Multiversum ist auch zehn Jahre nach dem großen Split zwischen den beiden Gründungsmitgliedern Staropoli und Turilli in Bewegung. Nachdem Fabio Lione – Sänger seit dem ersten Album „Legendary Tales“ von 1997 – im Jahr 2016 bei RHAPSODY OF FIRE ausgestiegen ist, kehrte er drei Jahre später zu Gitarrist Luca Turilli zurück, nachdem diese eine gemeinsame Reunion-Tour spielten. Dessen Luca Turilli’s Rhapsody gingen daraufhin in Turilli / Lione Rhapsody auf. RHAPSODY OF FIRE gelten dennoch gemeinhin als die „originalen“ RHAPSODY, auch wenn abgesehen von Keyboarder Alex Staropoli kein Mitglied aus RHAPSODY-Zeiten mehr dabei ist.
Nach dem Abgang des langjährigen Frontmanns Lione hatte Neuzugang Giacomo Voli bei seinem Debüt „The Eighth Mountain“ naturgemäß einen schweren Stand und musste mit Vergleichen zu seinem Vorgänger leben. Diese konnte und kann er jedoch bestehen, er verfügt über eine variable und klare Singstimme, auch die selten eingestreuten Screams überzeugen. In Lione-Höhen stößt er nicht durchgehend vor, seine mittleren bis mittelhohen Tonlagen mit Spitzen nach weit oben stehen ihm und dem gesamten Songmaterial aber formidabel. Mit Voli haben RHAPSODY OF FIRE einen großartigen Sänger an Bord, Lione muss niemand hinterhertrauern.
„The Eighth Mountain“ war 2019 nicht nur ein weiterer Neuanfang mit einem gravierenden Besetzungswechsel, mit „The Nephilim’s Empire Saga“ wurde textlich außerdem eine neue Saga begonnen – die erste nicht von Turilli, sondern Staropoli geschriebene RHAPSODY-Geschichte. Die abermals typische Fantasy-Story bietet nichts Neues, ebenso ändert sich musikalisch nichts Grundlegendes, außer vielleicht dass RHAPSODY OF FIRE noch mehr im Midtempo unterwegs sind und weitgehend auf Highspeed-Parts verzichten. Auch das inzwischen dreizehnte Album „Glory For Salvation“ ist episches Breitwandakustikkino voller Pathos, Kitsch, Chören und Übertreibung. Dass sich „Glory For Salvation” tatsächlich wie eine Geschichte und ein filmreifer Soundtrack anfühlt, zeigt etwa das bombastische und fast elfminütige „Abyss Of Pain II“ mit ausladenden Orchestrierungen und einigen Rhythmuswechseln. Das kitschig-eingängige „Terial The Hawk“ und der simple Faustreck-Crowdpleaser „I’ll Be Your Hero“ stehen aber eher als der komplexe Longtrack stellvertretend für das Album und offenbaren einige Schwächen.
Eines der großen Probleme von „Glory For Salvation” zeigen der Titeltrack oder „Maid Of The Secret Sand“ auf. Nach dem ersten Hören sitzt man etwas ratlos vor dem Abspielgerät. Wo war hier nun eigentlich der Refrain? Als Chorus stellt sich beim erneuten Hören die Stelle heraus, die sich wie eine Bridge anhört und anfühlt. Irgendwie fehlt hier einfach etwas, manche Lieder kommen nicht wirklich zum Höhepunkt und plätschern etwas vor sich hin. Dabei waren RHAPSODY (OF FIRE) immer am besten, wenn der Chorus wie etwa bei „Knightrider Of Doom“ oder „Unholy Warcry“ so richtig übertrieben ausfällt. Das muss natürlich nicht immer so sein, aber derart opulenter Symphonic Metal mit zu zahmen, direkt unauffälligen Refrains beraubt sich seiner eigenen Stärken und Höhepunkte. Bei „Chains Of Destiny“ etwa zeigen RHAPSODY OF FIRE ja, dass sie noch mitreißende und große Refrains können.
Das zweite große Problem: So mächtig und episch „Glory For Salvation“ ist, so langweilig ist es auch. RHAPSODY OF FIRE können zu keinem Zeitpunkt überraschen oder wirklich besondere Momente kreieren. Bei allem Bombast gelingen keine begeisternden Songs. Es passiert ständig so viel, die Italiener bemühen sich redlich um Abwechslung und dennoch klingen die 67 Minuten von „Glory For Salvation“ im Hörverlauf immer generischer. Das bei RHAPSODY OF FIRE leider nicht unbekannte Gefühl stellt sich ein, die Songs und einzelne Teile davon bereits zu kennen. Klingt verdächtig nach wildem Copy-Paste-Geklaue bei Stratovarius, Nightwish und vor allem der eigenen Vergangenheit. Die Soli, Melodien, Hooks, Orchestrierungen – das alles ist technisch hochklassig und immer sauber umgesetzt, aber eben nicht spannend komponiert.
„Glory Of Salvation“ ist kein schlechtes, aber maximal ein nettes Album. Der gewisse Kick und das Besondere fehlen einfach. Dabei ist es gar nicht schlimm, dass die Italiener nach wie vor maximal kitschig unterwegs sind. Vielmehr sind die technisch sauberen Kompositionen enttäuschend spannungsarm, teilweise sogar richtig uninteressant und dümpeln über die zu lange Spielzeit vor sich hin. RHAPSODY OF FIRE kopieren sich größtenteils selbst und können nicht mehr an ihre Großtaten wie „Power Of The Dragonflame“ (2002) oder „Symphony Of Enchanted Lands II“ (2004) anknüpfen.
Wertung: 5 / 10
Klingt leider nicht so gut. Die Singles haben mir schon gar nicht gefallen, dabei ist Giacomo Voli ein klasse Sänger, der die Stücke durchaus tragen könnte. The eighth mountain hatte einige memorable Momente und zeigte eigentlich in der Formkurve eine deutliche Steigerung.
Dass Rhapsody und Schwester-Bands durch Kitsch (wobei das natürlich auch im Auge des Betrachters liegt), Bombast und mittlerweile viele Selbstzitate auffallen, ist ja nicht neu. Problematisch wird es, wenn sie wie bei dem Totalausfall Dark Wings of Steel ins belanglose abrutschen.
Wenn die Power fehlt, alles zu glatt wird, die spieltechnischen Fertigkeiten anders als bei Luca Turilli, nicht mehr so beeindrucken können, bleibt bei Rhapsody of Fire leider nicht mehr viel übrig, was mir zusagt.