Ach, RHAPSODY OF FIRE! Was waren das für Zeiten, als ihr die Landschaft des Power Metals durcheinander gerüttelt habt mit eurem neuen Ansatz des Filmscore-Metals, Hollywood-Metals oder wie auch immer eure Marketing-Agentur das nennen wollte! Als eure Alben rauf und runter liefen bei allen Pen & Paper-Rollenspielrunden dieses Kontinents, bei Jugendlichen (und jung gebliebenen) Live-Rollenspielern, bei Fans vom „Herrn der Ringe“ und bei Computerspielern, denen der Soundtrack von „Heroes Of Might And Magic“ zu langweilig geworden war. Gute Tage, gute Musik, keine Frage. Alles sehr speziell und für viele auch zu viel Pathos und Emotionen, aber man darf ja polarisieren. Und doch: Wir, auf die diese Beschreibung einst zutraf, sind älter geworden – ihr wohl nicht, wie euer neuestes Album „Dark Wings Of Steel“ zeigt.
Denn alles, aber auch wirklich alles auf dieser Scheibe haben wir von euch schon einmal gehört. Schrieb ich einmal? Entschuldigung, ich meinte natürlich: auf jedem Album seit „Symphony Of Enchanted Lands Part II“. Für alle, die nicht ganz so firm in der Bandgeschichte von RHAPSODY OF FIRE sind: Das war das erste Studioalbum mit massiver Orchestrierung und langsameren Songs, nicht nur mit Keyboard-Teppichen über ansonsten eher treibenden Power-Metal-Nummern. Ganz offensichtlich hat sich diese sehr spezielle Spielart inzwischen totgeritten – oder der Band sind nur die Ideen ausgegangen, man weiß es nicht so genau.
Natürlich sind alle typischen Trademarks von RHAPSODY OF FIRE auch auf „Dark Wings Of Steel“ enthalten: immer noch sehr gut gemachter, hoch emotionaler Gesang von Fabio Lione, sehr präsentes Drumming von Alex Holzwarth, massive klassische Instrumentierung (vornehmlich Streicher und Fanfaren) von Alexander Staropoli und einem namenlosen Computerprogramm. Sogar die obligatorische Kitschballade in italienischer Sprache fehlt mit „Custode di Pace“ nicht. Man mag sich jetzt die Augen reiben und fragen: Warum klappt hier nicht, was schon dreimal zuvor geklappt hat? Die Antwort ist: Bis zu einem gewissen Grad funktioniert es doch – rein handwerklich geht alles klar, es gibt weder Schwächen im Gesang noch bei den eingespielten Instrumenten. Es ist nur bar jeder Kreativität und eine einzige Wiederholung bekannter Harmonien. Bei zahlreichen Songs horcht man kurz auf und denkt: Moment, ist das nicht von einer anderen Scheibe? Im Ergebnis bleibt so leider kein einziger Song hängen. Man weiß, dass man ein Album von RHAPSODY OF FIRE gehört hat, aber benennen, welches es war? Fehlanzeige.
Natürlich gibt es auch ein paar wenige Lichtblicke auf „Dark Wings Of Steel“: „My Sacrifice“ hat eine schöne Melodie im Refrain, auf „Silver Lake Of Tears“ klingt Liones Stimme eine Spur aggressiver als sonst und das Schlagzeug auf „A Tale Of Magic“ kommt ein wenig offbeat-mäßig aus den Boxen. Aber wenn man solche Dinge mit der Lupe suchen muss, hilft das wenig.
Ach, RHAPSODY OF FIRE! Was soll nur aus dir werden? Mein Vorschlag für die Zukunft: Nutzt die Chancen, die der Split mit Luca Turilli’s Rhapsody ergeben hat. Lasst ihn weiter den Hollywood-Stil machen und kehrt ihr zurück zu härteren Songs. Wenn euer Keyboarder Alexander Staropoli derartig beachtliche Muskeln aufbauen konnte, kann eure Musik das auch! Mehr Kraft, weniger Orchester – dann wird es beim nächsten Mal sicherlich besser.
Wertung: 5.5 / 10