RAZOR haben definitiv Legendenstatus inne: Mit Alben wie „Evil Invaders“ (1985) und „Violent Restitution“ (1988) leisteten die Kanadier einen elementaren Beitrag zum Regelwerk des Speed Metal und werden noch heute von jungen Wilden wie Vulture oder eben Evil Invaders als wichtiger Einfluss genannt. 1997 erschien mit „Decibels“ das vorerst letzte Album der Band aus Guelph, aber als tatsächlich aufgelöst galt die Truppe nie. Exakt 25 Jahre nach ihrem letzten Studioalbum wollen es RAZOR, die seither wie gesagt eine ganze Reihe an jugendlichen Nachahmern auf den Plan gerufen haben, noch einmal wissen und veröffentlichen mit „Cycle Of Contempt“ ein neues Album – sind damit unzählige junge Speed- und Thrash-Bands plötzlich arbeitslos?
Wohl eher nicht: RAZOR waren noch nie die Speed-Metal-Band mit den komplexesten Songs, aber auf „Cycle Of Contempt“ liefert das kanadische Quartett kaum mehr als das erforderliche Mindestmaß. Die Songs kommen mit anderthalb bis maximal zwei Riffs aus, werden allesamt vom gleichen „uff-da“-Drumming getragen und Frontmann Bob Reid bedient sich in ausnahmslos jeder Nummer des gleichen skandierten Gebells. Das macht ein paar Songs lang Spaß, verändert sich von Titel zu Titel aber bestenfalls in Nuancen – und im Hinblick auf den Gesang gar nicht – und spätestens ab der Hälfte hat man alles gehört, was RAZOR 2022 zu bieten haben.
Dabei sind die Riffs für sich genommen nicht verkehrt und auch der sägende Gitarrensound überzeugt sofort, aber neu ist das alles nicht und in der Masse eines Albums vor allem ermüdend repetitiv. Hinzu kommen dümmlichste Mord-und-Totschlag-Texte, die sich jeder unterforderte 13-Jährige beim nachmittäglichen Nachsitzen ausdenken könnte. Ausnahmen finden sich auf „Cycle Of Contempt“ natürlich auch, denn mit dem rasenden „Off My Meds“ oder dem punkig-rotzigen „Crossed“ heizen RAZOR ihrer Hörerschaft fast so sehr ein wie in ihren Anfangstagen. Leider bleiben solch gelungene Nummern auf dieser Platte weit in der Unterzahl.
Was an „Cycle Of Contempt“ aber am allermeisten stört, ist die klinisch aufgeräumte Produktion. Ein derart trockenes, ja geradezu steriles Klangbild wie auf dieser Platte, in dem Breaks und Pausen unnatürlich abrupt beginnen, ist selten wünschenswert und befremdet in Verbindung mit eher simpel gestrickter Musik wie der von RAZOR umso mehr – besonders auffällig ist das in „Jabroni“ oder „A Bitter Pill“. Es scheint, als waren die Kanadier hin und her gerissen zwischen ihrem alten Selbst und den Verlockungen moderner Studiobearbeitung. Beides trifft hier aufeinander, weshalb nun vermeintlich rotziger Speed Metal der alten Schule in ein hypermodernes Klanggewand gezwängt wurde, das einfach nicht so recht passen will.
RAZOR werden von ihrer Anhängerschaft sicherlich zu Recht für ihre simple, aggressive Musik gefeiert – etwas mehr Abwechslung als auf „Cycle Of Contempt“ darf es aber dennoch sein. Live mag der bewusst stumpf gehaltene Haudrauf-Sound der Kanadier nach wie vor ein Riesenspaß sein, auf CD will das Ganze in Ermangelung der nötigen Vielfalt aber nicht so recht zünden. Frontmann Reid hat noch genau eine Gesangslinie im Repertoire und Drummer Johnson scheint genau einen Groove zu beherrschen, was die meisten Hörer schnell abdriften lassen dürfte. „Cycle Of Contempt“ ist kein Totalausfall, eine Kaufempfehlung kann aber nur für Puristen ausgesprochen werden.
Wertung: 5 / 10