In letzter Zeit kommen mir mehr und mehr Kapellen der Gattung Corvus, also dem gemeinen Raben, unter die Augen. Erst letztlich die Ukrainer (oder besser gesagt DER Ukrainer) von Raventale, dann flatterten letztens noch Ravenholm (Halflife² lässt grüßen?) vorbei, jetzt kommen die schwarzgefiederten Mannen aus dem fränkischen Bayreuth daher und sie nennen sich RAVENLORE. Das war aber nicht immer so, 2003 raufte man sich unter dem Namen Dod Aernst zusammen und begann progressiven Death Metal zu spielen, 2008 musste die alte Bandbezeichnung dann dem heutigen Namen weichen – und auch das Genre hat sich relativ stark verändert seit den Anfangstagen. Als RAVENLORE will man nun also den Extreme Metal-Underground aufmischen, dazu ließ man eine EP mit dem Titel „Through The Raven’s Eye“ auf die Menschheit los, auf der sich vier überlange Songs finden, die dem Hörer den Sound des Quartetts näher bringen soll.
Und den zu beschreiben, ist schon mal eine Sache für sich. Der Opener „Forests Of Time“ wird von sanftem akustischen Gitarrengeklimper eingeleitet (das ich übrigens auch nach unzähligen Durchläufen sehr geil finde, richtig schön bezaubernd), ehe man sich ein wenig in der Schnittmenge zwischen Black- und Death Metal austobt, hin und wieder dann mal ein paar Pagan- oder Viking Metal Einschübe, ist ja auch noch nicht so weit ab vom Schuss. Aber das ist noch nicht alles, was RAVENLORE auf dem Kasten haben. Wenn beim zweiten Track „And From Silence I Was Born“ die Akustikgitarre zurückkehrt, fühlte ich mich nämlich irgendwie dezent an klassische Heavy- oder Power Metal Bands erinnert. Und das Intro-Riff von „The Rebirth Of The Sun“…ich kann nicht mit dem Finger drauf zeigen, es erinnert mich irgendwie an den einen oder anderen Hard Rock-Klassiker… „Don’t Stop At The Top“ steckt vielleicht ein wenig drin, aber noch irgend etwas anderes.
Prinzipiell aber wurscht, wer sich jetzt an Genregrenzen aufhängen möchte, der soll das gerne tun, alle anderen, die etwas offener an die Sache ran gehen können, lassen sich gerne gesagt sein: Egal in welchem Stilbereich RAVENLORE gerade herumwildern, sie machen ihre Sache verdammt gut. Die handwerklichen Fähigkeiten der Gitarristen Adrian Conrad und Fred Beerbom gehen schwer in Ordnung, Drummer Michael Sack könnte zwar hin und wieder etwas weniger auf den Becken rumkloppen (das ewige Scheppern ist auf Dauer etwas… hmja, vor allem bei „The Rebirth Of The Sun“), davon abgesehen stimmt aber schon alles. Und Stephan Tannreuthers Gesangsleistung ist sowieso reichlich beeindruckend. Seine härteren Gesangslagen können einiges, auch sein etwas rauherer Klargesang zieht mit, am allermeisten beeindruckt bin ich aber vom „Refrain“ des zweiten Tracks „And From Silence I Was Born“, in dem Tannreuther genau das, nämlich den Songtitel, ins Mikro flüstert. Klar, hier wurde hinterher im Studio dran rum gebastelt, denn es ist wirklich nur ein verdammt laut gedrehtes Flüstern, aber es klingt so hammergenial, das mir jedes Mal ein Schauer über den Rücken läuft. Apropos Studio: Für eine Eigenproduktion klingt das Ding absolut in Ordnung, hier und da etwas ungeschliffen, das Schlagzeug hätte einen Tick lauter werden können, aber das ist kein Beinbruch.
Zu dem kommen wir jetzt aber. Also: Zum Beinbruch! Um noch mal den Gedanken von weiter oben aufzugreifen: RAVENLORE bedienen sich in einem relativ weiträumigen stilistischen Feld, hier finden sich an fast jeder Ecke gute oder wenigstens ordentliche Ideen, aber woran die vier Kompositionen auf „Through The Raven’s Eye“ kranken, das ist ein mitreißender Spannungsbogen. So vermisse ich größtenteils (vielleicht mit Ausnahme von „And From Silence I Was Born“) einfach irgendeine Steigerung, irgendeine Form von spannendem Verlauf des Songs, die einzelnen Ideen sind gut, aber sie klingen mehr so, als ob sie innerhalb eines Songs „abgewechselt“ werden würden, als wie wenn das Ding sich ordentlich entwickeln würde. Die Songs kommen nicht auf den Punkt. Oder um es anders auszudrücken: Es gibt keinen Punkt innerhalb der Songs, es gibt einen ganzen haufen Punkte, die einfach nicht richtig zusammen passen wollen. Das ist auf dauer ziemlich ermüdend und so fällt es mir als Hörer auch verdammt schwer, bei RAVENLOREs EP über die ganze Lauflänge von 35 Minuten am Ball zu bleiben, Reizüberflutung sei Dank, wenn ich das mal so sagen darf.
Um es also noch mal auf den Punkt zu bringen: Mit „Through The Raven’s Eye“ beweisen die vier Bayreuther eindrucksvoll, dass sie fit an ihren Instrumenten sind, coole Ideen und auch keine Angst vor Genregrenzen haben, gute Songs zu schreiben, müssen sie aber noch üben. Für eine vollständige CD würde ich mir von RAVENLORE mehr und dafür kürzere Songs wünschen. Epik schön und gut, aber wenn sie in Konfusion ausartet, dann hat man auch nichts davon.
Keine Wertung