Review Ragnarok – Psychopathology

  • Label: Agonia
  • Veröffentlicht: 2016
  • Spielart: Black Metal

Gefühlt kein Monat vergeht, ohne dass zumindest ein paar klassische Black-Metal-Alben auf den Markt kommen. In ihrem Eifer, ihre Helden aus den 90ern zu kopieren, kann man leider gerade oft die Beiträge junger Bands vergessen. Jene verlieren sich meist in plumpem Nachbuchstabieren und wissen dem schon ausreichend ausformulierten Genre daher häufig nichts hinzuzufügen. Auch lassen sie in der Regel die Erfahrung vermissen, die Bands aus dieser Zeit mit sich bringen. Wenn dann allerdings eine Band aus eben dieser Zeit, ein Vorbild, das man zu kopieren versucht, ein neues Album herausbringt, lohnt sich vielleicht doch ein Blick. RAGNAROK sind eine solche Band und mit „Psychopathology“ haben sie nun ihr mittlerweile achtes Studioalbum veröffentlicht.

Dabei verdient ihr neues Werk schon aufgrund eines bedeutenden Besetzungswechsels einen besonderen Platz in der Geschichte der Band: Jontho, das einzige verbliebene Gründungsmitglied, wechselte nach über 20 Jahren das Instrument. Bisher am Schlagzeug tätig, übernimmt er seit diesem Album den Gesang, und das macht er tatsächlich erstaunlich gut. Zwar werden sicherlich einige Unsauberkeiten durch den etwas starken Hall kaschiert, aber man hat schon weitaus Schlechteres in Sachen gutturaler Gesang hören müssen.
Musikalisch erfinden auch RAGNAROK auf „Psychopathology“ das Rad nicht neu. Das Album wird wie üblich dominiert von Blastbeats, Doublebass und dazwischen verteilten stampfenden und atmosphärischen Black-Metal-Riffs. All das allerdings geschieht bei RAGNAROK, wie auch in den Jahren zuvor, auf einem merklich sehr hohen Niveau. Gleich zu Beginn legen sie mit „Dominance and Submission“ bei hochwertigem Sound aus dem Studio des Marduk-Bassisten Devo einen sich hartnäckig im Ohr einnistenden, energiegeladenen Einstieg vor, welcher verdeutlicht, dass RAGNAROK nicht erst seit gestern im Black Metal unterwegs sind. Auch die folgenden zehn Songs wissen durchgehend und ausnahmslos zu gefallen, insbesondere „I Hate“, „Heretic“ und „Into the Abyss“. Wirkliche Ausrutscher oder Filler bleiben aus, das Niveau wird bis zum Ende gehalten. Bemerkenswert ist dabei, wie RAGNAROK ganz genreuntypisch immer wieder durchaus subtil mit verschieden Taktarten spielen, als sei das das Selbstverständlichste bei einer klassischen norwegischen Black-Metal-Truppe. Auch diese musikalischen Raffinessen heben RAGNAROK letztlich von unbeholfenen Mimikryversuchen anderer Bands ab.
Trotzdem bleibt am Schluss die ganz große Begeisterung aus. So gekonnt und professionell das ganze Album auch aufgezogen ist: RAGNAROK trauen sich dennoch letztlich zu wenig, als dass sie damit wirklich große Begeisterung hervorrufen könnten. Ihre bewährte Formel funktioniert zwar an sich einwandfrei, doch auch Erfolgsrezepte müssen von Zeit zu Zeit variiert werden. Auf „Psychopathology“ jedoch finden sich immer wieder die gleichen Schemata im Songaufbau. Das ausgezeichnete Songwriting einzelner Songs kann dies zwar größtenteils, aber letztlich im Albumkontext doch nicht ganz ausgleichen. Das unterscheidet sie dann letztendlich doch von führenden Genrebands wie Marduk oder Mayhem, die, wenn auch nicht immer auf durchgehend hohem Niveau, zumindest immer wieder neue Dinge ausprobieren und ihren Sound weiterentwickeln.

In die Black-Metal-Geschichtsbücher wird „Psychopathology“ wohl allein deshalb schon nicht eingehen. RAGNAROK wissen definitiv, wie man guten Black Metal macht, verlassen sich aber etwas zu selbstsicher auf ihr eigenes Erfolgsrezept und trauen sich zu selten aus ihrer Komfortzone. Absolut hörenswert ist die Scheibe aber dennoch geworden, denn man merkt in jeder Sekunde des Albums, dass die Musiker hier weitaus besser als der Großteil ihrer Genrekollegen wissen, was sie tun.

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Wertung: 7.5 / 10

Publiziert am von Simon Bodesheim

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