Bei QUEENSRYCHE stand in letzter Zeit so ziemlich alles im Vordergrund, nur nicht die Musik. Nach der unschönen Trennung von Ex-Sänger Geoff Tate Mitte 2012 und anhaltenden Rechtsstreitigkeiten um den Bandnamen gibt es nun – Stand Juni 2013 – zwei Versionen der Band, die beide unter dem ursprünglichen Namen firmieren: Die Version von Geoff Tate mit neuer Begleitmannschaft und die alten „Originale“ mit dem neuen Sänger Todd La Torre (ex-Crimson Glory). Wer auch immer den Streit gewinnt, schneller mit der Veröffentlichung von neuem QUEENSRYCHE-Material war jedenfalls Geoff Tate, der schon im April das Album „Frequency Unknown“ präsentierte. Die Antwort seiner ehemaligen Kollegen auf diesen Vorstoß folgt auf dem Fuße und trägt den selbstbewussten Namen „Queensryche“.
Glaubt man den Worten von Drummer Scott Rockenfield, sorgte die Zusammenarbeit mit Neuzugang Todd La Torre für eine „Energie-Injektion“ und eine „neue Perspektive“. Auch Gitarrist Michael Wilton ist voll des Lobes über das neue Album und bezeichnet es als eine „Rückkehr zur Form“. Tja, genau die erwarten Fans und Presse gleichermaßen schon seit Jahren. Was also ist dran?
Zunächst einmal ist vor allem nicht viel drauf. Gerade einmal neun Songs plus Intro und Zwischenspiel haben die fünf Herren zustande gebracht, was eine Spielzeit von lächerlichen 35 Minuten bedeutet. Stilistisch will man sich auf alte Tugenden besinnen, die Atmosphäre von Alben wie „Operation: Mindcrime“ und „Promised Land“ wiederaufleben lassen. Was wie ein weiterer cleverer Promo-Schachzug klingt, ist aber tatsächlich nicht ganz falsch. „Queensryche“ ist sicherlich nicht auf Augenhöhe mit den größten Werken der Band, aber doch eine unterhaltsame, gut gemachte Scheibe, die Machwerke wie das unsäglich uninspirierte „Hear In The Now Frontier“ locker in die Tasche steckt. Der dramatische, düstere Rock der Band erfährt hier eine kleine Renaissance, und das macht der Band hörbar Spaß.
Erstaunlich ist nicht nur, dass die alte Klasse der Band hin- und wieder aufblitzt, sondern auch, dass Todd La Torre ein wirklich großartiger Tate-Ersatz ist. Torres Stimme passt hervorragend zur Musik und ist in Tonlage und Ausdruck der seines Vorgängers stellenweise sehr ähnlich. Dabei ist er dem über die Jahre etwas eingerosteten Tate in Technik und Variabilität aber deutlich überlegen.
Highlights der Platte sind vor allem der modern produzierte Rocker „Spore“ und die ohrwurmige Midtempo-Nummer „In This Light“. Generell scheinen QUEENSRYCHE im Jahre 2013 ein besseres Händchen für die getragenen und atmosphärischen Songs („A World Without“, „Open Road“) zu haben als für Uptempo-Stampfer. So macht z. B. das treibende „Don’t Look Back“ zwar Spaß, bleibt am Ende aber doch etwas fad.
Nichtsdestotrotz präsentieren sich QUEENSRYCHE hier so mitreißend und lebendig wie schon lange nicht mehr. Statt sich direkt mit einem Überwerk zurückzumelden, haben sie erst einmal ihr Territorium abgesichert und eine gute Grundlage für die Zukunft geschaffen. „Queensryche“ unterhält hervorragend und klingt echt und authentisch. Das ist weit mehr, als man erwarten durfte. Ob es dann noch einmal für einen neuen Klassiker reicht, bleibt abzuwarten. Die Chancen stehen aber gut – erst recht dann, wenn die Rechtsstreitigkeiten beigelegt sind und der Kopf wieder frei ist.
Die Limited Edition bietet übrigens drei Live-Bonustracks: „Queen Of The Reich“, „En Force“ und „Prophecy“. Warum diese bei einem Album mit 35 Minuten Spielzeit auf eine Extra-Disc ausgelagert werden müssen, verstehe ich allerdings nicht.
Wertung: 7.5 / 10