Review Queensryche – Condition Hüman

„Nichtsdestotrotz präsentieren sich QUEENSRYCHE hier so mitreißend und lebendig wie schon lange nicht mehr. Statt sich direkt mit einem Überwerk zurückzumelden, haben sie erst einmal ihr Territorium abgesichert und eine gute Grundlage für die Zukunft geschaffen.“

Diese Worte des Kollegen Mack zur selbstbetitelten Comeback-Scheibe der Seattler Progressive-Metaller QUEENSRYCHE haben auch zwei Jahre nach Release noch Hand und Fuß. Zu viele Nebenkriegsschauplätze gab es damals im Zuge der Trennung von Frontmann und Aushängeschild Geoff Tate, zu der nun auch wirklich genug gesagt wurde, als dass man sich wirklich unvoreingenommen auf das Musikalische konzentrieren konnte. Und das, was die übriggebliebenen Mitglieder mitsamt Neu-Sänger Todd La Torre da vom Stapel ließen, war endlich wieder etwas knackiger, frischer und deutlich mehr Old-School als die vielen statischen Jahre zuvor, aber in meinen Augen ein Schnellschuss, dem es an diesen magischen QUEENSRYCHE-Momenten fehlte. Dennoch wirkte die Band in dieser Formation regelrecht befreit und gierig darauf, die verlorenen Jahre wieder nachzuholen. Nun schickt sich also das zweite Album seit dem Neubeginn, „Condition Hüman“, an und man darf gespannt sein, ob die nötige Zeit und Ruhe dieses Mal denn auch musikalisch gefruchtet haben.

Zunächst lassen sich schon mal zwei Missstände des Vorgängers direkt zu Beginn ausmerzen. Die Platte hat einerseits mit 54 Minuten wieder eine amtliche Spielzeit – die gute halbe Stunde des Vorgängers wurde einer Band wie QUEENSRYCHE einfach nicht gerecht – andererseits ist der Sound dieses Mal vergleichsweise ein Quantensprung. Die klinische, Clipping-behaftete Produktion weicht nun einem deutlich wärmeren, ausgewogeneren Klang, der allen Instrumenten den nötigen Raum zur Entfaltung gibt. Aber auch musikalisch haben sich die Amerikaner dieses Mal deutlich mehr Mühe gegeben. Sämtliche Songs wirken ungemein durchdachter, verspielter, aber auch auf den Punkt geschrieben. Die Rückkehr zum progressiven Metal, der die Jungs in den 80ern groß gemacht hat, wird zudem weiter forciert. Die Zeiten stoischen Riffgeschiebes und lahmer Songstrukturen scheinen angesichts des hier vorfindbaren Materials endgültig der Vergangenheit anzugehören. QUEENSRYCHE kreieren auf „Condition Hüman“ demnach wieder vermehrt diese bandtypische Atmosphäre sowie die angenehm unprätentiöse Progressivität.

Alleine das Anfangsdoppel aus „Arrow Of Time“ und „Guardian“ zeigt schon wunderbar auf, wie gut es die Jungs anno 2015 verstehen, zwischen Nostalgie und Moderne zu switchen. Die Songs preschen mitreißend nach vorne, bieten starke Riffs sowie Twin-Melodien, aber auch zeitgemäßere Töne auf, und liefern wieder diese Mörder-Refrains, die damals schon „Operation: Mindcrime“ oder „Empire“ zu Klassikern gemacht haben. Ein Schelm wird sich zudem bei der Refrainzeile „Evolution Calling“ in „Guardian“ Böses denken. Die genannten Songs stehen gemeinsam mit dem genialen „Where All Was“ (legitimer „The Needle Lies“-Nachfolger) oder „Toxic Remedy“ für die erwähnte Rückkehr zum Metal und erinnern durchaus an ebenjenes Götteralbum, dessen Name nun Altsänger Tate für seine Band verwendet. Aber QUEENSRYCHE klangen irgendwie schon immer stärker, wenn sie den Fuß vom Gaspedal nehmen und den Hörer mit ihren melancholischen Halbballaden oder verschachtelten progressiveren Tracks um den Finger wickeln. Diesbezüglich bekommt man auf „Condition Hüman“ teils Großes geboten. „Just Us“ erinnert mit seiner Schwermütigkeit und Verletzbarkeit an „Promised Land“ und entpuppt sich als einer der stärksten Songs, den die Band bisher veröffentlicht hat. Besonders La Torre wächst hier teilweise über sich hinaus und liefert eine durch und durch packende Performance. Aber auch ein „Eye 9“ verweist durchaus auf besagtes 94er Album und schafft tatsächlich den Spagat, in gerade einmal dreieinhalb Minuten vertrackte Rhythmen und Riffs aufzubieten, aber trotzdem schlüssig zu klingen.

Neben tollen Balladen wie „Selfish Lives“ oder „Bulletproof“ sticht zu guter Letzt noch der siebenminütige Titeltrack heraus, der im Stile vergangener Großtaten („Anybody Listening“, „Roads To Madness“, „Suite Sister Mary“) zahlreiche tolle Ideen beinhaltet und eigentlich stellvertretend für das ganze Album, aber auch für die Band an sich steht. So gesehen fällt es mir abschließend sehr schwer, das berühmte Haar in der Suppe zu finden. Bloße Vergangenheitshuldigung kann man QUEENSRYCHE angesichts der vielen neuartigen Ideen und Einflüsse nicht vorwerfen. An die alten Sachen kommt auch das neue Album nicht heran, aber das war ja eh allen schon vorher klar. Was also lässt sich an „Condition Hüman“ nun kritisieren? Mir fällt ehrlich gesagt nicht viel ein. Einzig die leise Hoffnung, dass die Jungs es noch besser könnten, bewegt mich letztendlich dazu, nicht die volle Punktzahl zu vergeben. Ein recht kleines Haar, zugegeben.

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Wertung: 9 / 10

Publiziert am von Sebastian Ostendarp

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