Review Prymary – The Tragedy Of Innocence

Konzeptalben sind besonders im Prog-Bereich sehr verbreitet und es gilt praktisch als ungeschriebenes Gesetz, dass jede Progband, die was auf sich hält, auch mal ein solches Album mit Story veröffentlichen muss. Wenn wir ehrlich sind, erreichen diese Werke ihr Ziel nur äußerst selten: Eine enge Verbindung zwischen Text und Musik, zwischen Inhalt und Atmosphäre herzustellen, ist eben einfacher gesagt als getan und das Ergebnis enttäuscht meistens. Gerade der Prog bietet unendliche viele Möglichkeiten, Emotionen und Stimmungen zu vermitteln, leider ist die Gefahr, einen Song zu überfrachten oder zuzufrickeln, mindestens ebenso hoch.

Auch kleine Bands wollen sich immer mehr mit der Veröffentlichung von Konzeptalben beweisen und einen Namen machen. Das kürzlich besprochene Album „Fooled Eyes“ von Thessera ist dafür ein nennenswertes Beispiel. Die Musik der Band auf diesem Album wusste zwar durchaus zu gefallen, die Story war dagegen jedoch seltsam farblos, uninspiriert und eben nicht neu. Immerhin hat man es geschafft, die Stimmung der Geschichte gut in Musik umzusetzen. PRYMARY ist eine andere Band, die wie Thessera ebenfalls bei Progrock Records gesignt ist, und die dieser Tage mit „The Tragedy Of Innocence“ ihr zweites Album veröffentlicht. Und, na klar, es ist ein Konzeptwerk. Wie schlagen sie sich gegenüber ihren Kollegen Thessera?

Auf einem nahezu komplett gefüllten Silberling wird hier in zwölf Tracks die Geschichte einer Frau erzählt, die in ihrer Kindheit misshandelt wurde und unter dieser schrecklichen Erfahrung bis heute zu leiden hat. Das Album setzt mit dem ersten Track in der Kindheit an und endet mit „Choices“ im Hier und Jetzt, also 25 Jahre später. Dazwischen stehen Suizidgedanken, Probleme mit dem Partner und insbesondere die Gefühlswelt der Betroffenen. Klingt jetzt wieder wie ein pseudointellektuelles Machwerk auf den Spuren von Pain Of Salvation, nech? Das Überzeugende aber ist: Die Geschichte hier ist autobiographisch, ist wirklich passiert. Die Frau des Schlagzeugers Chris Quirarte ereilte dieses Schicksal, sie hat unter anderem bei den Texten der Songs ausgeholfen und bekommt im Booklet auch Raum für ihre Gedanken und Worte an alle, denen ähnliches wiederfahren ist. Am schlimmsten: Derjenige, der sie eigentlich behüten und lieben soll – ihr eigener Vater – vergang sich an ihr. Dieser persönliche Charakter der Geschichte macht „The Tragedy Of Innocence“ schon ein Stück weit zu etwas Besonderem, Tiefgehenderem als all die anderen Prog-Konzeptalben, die nur erdacht sind. Den Texten kommt hier also mehr Bedeutung zu.

Auf musikalischer Ebene eifert man, so schade es ist, dass ich das schon wieder schreiben muss, vor allem Dream Theater nach. Hier und da gibt es auch eine Spur Pain Of Salvation, deutlich weniger jedoch als bei ihren Kollegen Thessera. Man bewegt sich größtenteils auf klassischen Progmetal-Terrain und holt sich im Gegensatz zu Thessera keinerlei andere Stilmittel, wie etwa Jazz oder Fusion, ins Boot. An den Kompositionen an sich gibt es nichts auszusetzen, sie sind gelungen und technisch versiert, auch wenn ich hier den Eindruck nicht loswerde, man frickelt teilweise um des Show-Offs willen, nicht, weil es der Story gut tun würde. Erstaunlicherweise gefällt mir vor allem der ruhige, balladeske Track „Ask The Angels“ sehr gut. Hier besinnt man sich auf Atmosphäre und gibt Sänger Mike Di Sarro auch einmal ausführlich Gelegenheit, sanft und einfühlsam zu singen. Eine wirklich sehr schöne Nummer, mit Abstand die Beste auf dem Album. Auch das abschließende „Choices“ mit seinem leicht apokalyptisch wirkenden Gitarrenläufen weiß hervorzustechen. Übrigens: Bassist James Sherwood und Drummer Chris Quirarte mag der ein oder andere von euch vom Fates Warning-Ableger Redemption kennen.

Ebenso wie Thessera haben auch PRYMARY vieles richtig gemacht und leiden vor allem darunter, dass es erfolgreichere Bands gibt, die die hier aufgezeigten musikalischen Ideen schon längst in überzeugenderer Form auf einen Silberling gepackt haben. Die Progmetal-Szene ist leider nach wie vor viel zu sehr abhängig von großen Namen, die immer und immer wieder nachgespielt werden. Wer das mag, für den ist „The Tragedy Of Innocence“ sicher eine lohnenswerte Anschaffung. Insbesondere aufgrund der authentischen Story sollte diesem Album die Aufmerksamkeit zuteil werden, die es auch verdient. Die Jungs sind eben die kleineren Brüder von Dream Theater & Co. Wer nicht mehr erwartet, wird vorzüglich bedient, wer mehr sucht, sollte lieber die Finger davon lassen.

Somit sind sowohl mit „Fooled Eyes“ von Thessera und „The Tragedy Of Innocence“ von PRYMARY zum Weihnachtsgeschäft 2007 auf Progrock Records zwei Konzeptalben erschienen, die sehr schön vor Augen führen, wo der Progmetal-Nachwuchs im Moment steht.

Wertung: 7.5 / 10

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