Review Prospekt – The Colourless Sunrise

Das schwierige an einem Debüt ist, dass es die Band von ihrer musikalisch kreativsten Seite zeigen soll, nicht verschreckend schwer zugänglich, aber auch nicht zu einfach komponiert sein darf und sich vom bereits existierenden Material des Genre abheben muss. Treffen wenigstens zwei dieser Punkte zu, kann sich der eine oder andere Redakteur zu einer positiven Resonanz hinreißen lassen. Auf das weder sonderlich kreative, noch einprägsame Debüt von PROSPEKT trifft aber keiner dieser Punkte zu, weswegen ich den Reigen der Kritik für eröffnet erkläre.

Die Soli von Gitarrist Luland sind gefühlt immer irgendwie zu lang und holen mit ihrer Dauer die Wachszeit eines Mammutbaumes locker ein. Aber während der Mammutbaum während seines jahrhundertelangen Wachsens wenigstens ökologischen Veränderungen, historischen Zäsuren und kulturellen Wandel unterliegt, können PROSPEKT nicht mal entfernt soviel Spannung in eines ihrer Soli legen. Kühl gezockt und in das Lied gedrückt, nicht mal mit dem Versuch eines eleganten Überganges. Das Zusammenspiel der Saiteninstrumente und des Schlagzeugers Richardson bringt im instrumentalen Bereich ab und an zwar Freude am Gehörten, denn das abgehackte, tiefe Riffing und das getriggerte Spiel der Double-Bass faszinieren die ersten zwei, drei Songs. Aber nachdem deutlich wird, dass das die Song-Struktur für jeden weiteren Titel sein wird, vergeht einem das Zuhören. Ebenso ist das der Fall, wenn eine persönliche Präferenz für eine hohe, klare und leider ausdruckslos ins Mikrofon gepresste Stimme wie die von Marshall nicht vorliegt.

Textlich bewegen sich die Briten zwischen martialen Kampfgetümmel („Bleed Across These Wastelandes […] Your Life´s Now Ours, Human Race And Time Is Set To Standing Still“, „Shroud“), fantasievollen Kitsch („Hide Away, Flay Away With Me, A World Of Wonder Lets Proceed, A Journey To The Never“, „The Colourless Sunrise“) und pathetischen Phrasen („My Life Behind Me, The Path´s Now Clear, I Have Become My Own Worst Enemy“, „Visions“). Ob die Lyrics die zusammenhängende Geschichte eines durch Krieg aus seinem Königreich Vertriebenen erzählen, der auf Rache schwört und am Ende irritierenderweise ausgerechnet den Meeresgott Poseidon erledigen möchte („Hunting Poseidon“)? Warum eigentlich nicht, künstlerische Freiheit macht es möglich.

Natürlich lobt die involvierte Promotion-Agentur PROSPEKT auf ihrem Info-Sheet als Kombinierer brutaler Riffs (lachhaft!), majestätischer Melodien (lächerlich!) und modernen progressiven Metal. Tatsächlich bleiben die Briten hinter den dadurch geweckten Erwartungen aber weit zurück. Aufregend ist „The Colourless Sunrise“ nur dann, wenn der Zuhörer, noch entnervt vom Soli vor drei Minuten, schon wieder eines um die Ohren bekommt. Oder wenn der zweite Song wieder wie der erste klingt. Auch wenn mich jenes Info-Sheet auf die Einflüsse von PROSPEKT aufmerksam macht – Dream Theater, Symphony X und Opeth – möchte ich nicht einem Fan dieser Bands die Briten empfehlen. Für die damit einhergehende bitterböse Enttäuschung möchte ich nicht verantwortlich sein.

Wertung: 4 / 10

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert