Review Pristine – The Lines We Cross

  • Label: Eigenproduktion
  • Veröffentlicht: 2023
  • Spielart: Rock

Gut vier Jahre haben sich PRISTINE für den Nachfolger ihres bis dato stimmigsten Langspielers „Road Back To Ruin“ Zeit gelassen. Sicherlich hat auch Corona dabei eine Rolle gespielt, aber wie bei so vielen anderen Bands auch scheint die Zwangspause die Kreativität der Norweger eher noch beflügelt zu haben. Denn so facettenreich wie auf „The Lines We Cross“ hat die Truppe um Frontfrau Heidi Solheim noch nie geklungen. Umso verwunderlicher, dass die Scheibe nun als Eigenproduktion erscheint.

Der Opener „Action, Deeds & Suffering“ katapultiert den Hörer direkt in den Proberaum von PRISTINE, so rau und ungefiltert klingt die Produktion. Kein Wunder, schließlich haben sich die Musiker diesmal dafür entschieden, alle Instrumente und den Gesang auf einen Schlag live aufzunehmen. Eine ordentlichen Portion Distortion und Heidis kraftvolle Stimme machen die Nummer zu einem perfekten Start in „The Lines We Cross“. Auch „Ghost With A Gun“ schlägt in eine ähnliche Kerbe, brilliert aber außerdem mit einem ausgedehnten Instrumental-Part, in dem auch die Musiker glänzen dürfen. So weit, so gut, aber auch alles innerhalb der Komfortzone von PRISTINE. Dass die Band mitreißende Rock-Songs schreiben kann, hat sie inzwischen mehr als nur einmal bewiesen, doch mit „Loneliest Fortune (Pt. 1 & 2)“ gibt es den ersten Ausflug in andere Gefilde auf der neuen Scheibe zu hören. Besteht die erste Hälfte des Zehn-Minuten-Epos aus einem balladesken Part, der vor allem von Heidis gefühlvollem Gesang lebt, bricht sich in der zweiten Hälfte rein instrumental pure Energie Bahn. Ein absolutes Meisterwerk in PRISTINES bisherigem Schaffen.

Ähnlich mutig zeigt sich das Quintett bei „Carnival“, einer überlangen Ballade, die mit dem 24-köpfigen Orchester Arktisk Filharmoni aufgenommen und auch als erste Single veröffentlicht wurde. Was auf dem letzten Album „Cause & Effect“ war, ist diesmal „Carnival“, voller Emotionen und epischer Momente. Aber wie auch schon „Road Back To Ruin“ krankt auch „The Lines We Cross“ an einer Ballade zu viel. „Valencia“ ist zwar an sich kein schlechter Song, im Gesamtkontext des Langspielers aber dann doch ein ruhiger Moment zu viel. Vor allem weil der lässige Rocker „Stepping Into The Breach“, das treibende „Devil You Know“ und das fast schon an die White Stripes erinnernde „Sad Sack In A Cadillac“ extrem viel Spaß machen und es gerne noch ein Song mehr dieser Art hätte sein können. Zum Finale wird es noch einmal bombastisch, obwohl PRISTINE für „Instant Conclusion Decade“ gar kein Orchester auffahren.

Mit „The Lines We Cross“ zeigen PRISTINE, wie modern, abwechslungsreich und vielfältig klassischer Rock heute klingen kann. Die Norweger bewegen sich gekonnt zwischen allen Stühlen und lassen sich nicht mehr nur auf treibende Stücke festnageln. Eine Ballade weniger hätte dem sechsten Album zwar gutgetan, insgesamt liefern PRISTINE aber bereits jetzt schon ein frühes Jahreshighlight für Freunde facettenreicher Gitarrenmusik.

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Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Juan Esteban

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