Porcupine Tree Artwork

Review Porcupine Tree – Closure / Continuation

Ob es nach dem letzten gemeinsamen Album „The Incident“ einen weiteren Longplayer von PORCUPINE TREE geben würde, war 13 Jahre lang unklar. Umso überraschender, dass ein Großteil der Songideen auf dem neuen Release „Closer / Continuation“ in den frühen 2010er Jahren entstanden ist – also mehr oder weniger unmittelbar nach der Tour zum 2009er Album. Stellt sich die Frage, wie zeitgemäß Frontmann Steven Wilsons Interpretation vom modernen Progressive Rock noch klingen kann – und und inwieweit sich der neue Output vom facettenreichen Soloschaffen des Multiinstrumentalisten abhebt.

Bereits beim ersten Durchlauf fällt auf, dass es gar nicht mal Wilson selbst ist, der den großen Unterschied macht, wenn man „Closure / Continuation“ mit beispielsweise seinem herausragenden Soloalbum „Hand.Cannot.Erase“ vergleicht. Vielmehr ist es das Keyboard- und Synthesizerspiel des Tastenvirtuosen Richard Barbieri der entscheidende musikalische Baustein, kommen die elektronischen Elemente doch ungleich moderner und einfach anders arrangiert daher, als wenn sie Steven Wilson selbst zu verantworten hätte. Aber auch der Effekteinsatz in der Mischung ist durchaus zeitgemäß. Schönes Beispiel hierfür der coole LFO-modellierte Bass in der zweiten Hälfte von „Walk The Plank“.

Gesanglich bleibt der Brite auf gewohntem Terrain: melodisch und markant führt seine Stimme den Zuhörer durch die sieben Songs (zehn inklusive der der Deluxe-Edition vorbehaltenen, aber sehr guten Bonus-Tracks) von „Closer / Continuation“. In Sachen Gitarrenarbeit schaut die Sache schon anders aus: Es ist lange her, dass man von dem Saitenhexer so fette Riffs wie im Opener „Harridan“ oder dem großen Albumfinale, dem Ende von „Chimera‘s Wreck“ auf die Ohren bekommen hat. Letztgenannter Song ist ohne Frage ein Highlight auf dem neuen PORCUPINE-TREE-Longplayer, wobei der ganz große Hit fehlt. Das tut dem Hörgenuss keinen Abbruch, macht die Platte aber trotz aller musikalischen und technischen Raffinesse etwas gleichförmig und unspektakulär – wobei hier auf hohem Niveau gemeckert wird, zumal die Ansprüche nach all den Jahren recht hoch waren.

Da der Kontakt zum Bassisten Colin Edwin nach der letzten gemeinsamen Tour vor über zehn Jahren abgebrochen ist, hat Wilson selbst alle Bassparts eingespielt – was „Closure / Continuation“ durchaus von anderen PORCUPINE-TREE-Alben abhebt, unterscheidet sich Wilsons Plektrumspiel doch nachhaltig von Edwins Fingerfertigkeiten. Durchaus bemerkenswert ist dabei Wilsons Selbstbewusstensein am Viersaiter, lässt sich der Brite in „Dignity“ sogar zu einem Basssolo (inklusive Schweineorgeluntermalung) hinreißen.

Spiel- und produktionstechnisch ist „Closure / Continuation“ über jeden Zweifel erhaben. Dass mit Gavin Harrison ein Weltklasseschlagzeuger mit an Bord ist, dürfte dem geneigten Prog-Nerd sicher bewusst sein. Und der Mann macht seinem Ruf alle Ehre und trommelt sich technisch herausragend die Seele aus dem Leib. Umso schöner, dass die Mischung in jedem Moment ausgewogen und transparent, aber auch mal laut und fett daherkommt – hier gibt es keinen Punktabzug.

Wer regelmäßige Metal-Ausbrüche wie auf „Deadwing“ oder „Fear Of A Blank Planet“ erwartet, wird vom neuen Album möglicherweise enttäuscht sein. Vergleicht man „Closure /Continuation“ allerdings mit seinem Wilsons letztem Solowerk „The Future Bites“, welches avantgardistischen Progressive-Pop fernab von irgendwelchen Stromgitarren bietet, kommt die Platte allerdings erstaunlich rockig daher. Aber dabei bleibt es härtegradtechnisch auch: Der neue PORCUPINE-TREE-Longplayer ist progressiver Rock im besten Sinne – atmosphärisch, komplex, aber ab und zu auch mal die Zähne zeigend. Das ultimative Highlight in der Diskografie der Briten ist das Album damit aber nicht. Wer damit kein Problem hat, sollte reinhören – und Freunde der technisch anspruchs- und geschmackvoll umgesetzten Rockmusik sowieso.

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Wertung: 8.5 / 10

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