Review Pink Turns Blue – The AERDT – Untold Stories

Seit dem letzten Studioalbum „Storm“ sind bereits sechs Jahre ins Land gegangen. Der ehemalige Underground-Geheimtipp PINK TURNS BLUE hat sich seit der Gründung 1985 zu einer etablierten Rockband entwickelt, die 2016 ihr nunmehr drittes Kapitel aufschlägt. Frontmann Mic Jogwer hat die Band auf das Wesentliche reduziert: Drei Musiker, klarer und intensiv-treibender Post-Punk, persönlich, echt und kraftvoll eingespielt. Dazu hat das Trio alle Arbeiten an „The AERDT – Untold Stories“ in Eigenregie übernommen. Gelingt es ihnen aber auch diese intim-persönliche Herangehensweise musikalisch zu transportieren?

Der Opener „Something Deep Inside“ zeigt sich als lupenreine Post-Punk-Nummer, die von einer düster-melancholischen Atmosphäre lebt und doch tanzbar-kraftvoll wirkt, was vor allem durch das dynamische Schlagzeugspiel begünstigt wird. Auch Keyboard-Momente erheben sich punktuell zum Hauptinstrument und brechen damit aus dem ansonsten untermalenden Status aus. Insgesamt sind PINK TURNS BLUE im Jahr 2016 erdiger geworden, was das Folgestück „Dirt“ unter Beweis stellt. Die Gitarren spielen markante Melodien, die von der prägnant-düsteren Stimme von Mic Jogwer begleitet werden. So kann man auch klangtechnisch durchaus an die legendären Briten Depeche Mode erinnert werden, wenn die drei Berliner auch weitaus weniger im Elektro-Umfeld anzusiedeln sind.

Insgesamt ist es eine große Stärke der Songs, das alle Instrumente nebeneinander bestehen und in ihrem Stellenwert gleichgestellt wirken. Die klare und hochwertige Produktion begünstigt diesen Faktor maßgeblich. Doch auch im Balladen-Sektor versuchen sich die Musiker auf ihrem zehnten Studioalbum. „Give Me Your Beauty“ greift dabei auf melancholische Kniffe der Indie-Trickkiste zurück, kommt aber glücklicherweise ohne kitschige Attitüde aus. Das wohl beeindruckendste Stück ihrer aktuellen Tonkunst wurde mit „Tomorrow Never Comes“ erschaffen. Keyboard-Parts, die an klassische Streicherelemente erinnern und Gitarren, die sich in den richtigen Momenten schneidend zu einem Solo erheben. Dazu eine große Portion Sehnsucht und das depressiv-anmutende Wissen, dass das Morgen unter keinem guten Stern steht. Der Do-It-Yourself-Ansatz, der bei der Enstehung dieses Werks verfolgt wurde, geht somit auf voller Linie auf.

Auch wenn musikalisch reduziert, passiert hier bei genauerer Betrachtung um einiges mehr, als es die ersten Momente vermuten ließen. Die Band spielt vor allem mit Emotionen, die ein jeder von uns kennt und wirkt dennoch nicht verfahren oder ausgetreten. Die frühen 90er-Jahre führten zweifelsfrei Feder für dieses Release, was in charmanter und ehrlicher Art ausgearbeitet wurde. Gegen Ende bietet „I Believed“ die reinste Ballade des Longplayers, die in der ersten Hälfte lediglich aus Gesang und Piano-Begleitung besteht. Dann setzen Gitarren und Schlagzeug zwar ein, halten sich aber doch genug zurück, um die eingeleitete Atmosphäre nicht zu zerstören. Mit dem abschließenden „Devil“ wird man nach knapp 40 Minuten mit einer beschwingten Rocknummer aus diesen Klangwelten entlassen und eine Frage bleibt: Wo ist die Zeit nur geblieben?

PINK TURNS BLUE schaffen es mit „The AERDT – Untold Stories“ spielerisch, den Geist alter Post-Punk-Tage einzufangen und – was noch wichtiger ist – auch wiederzugeben. Dabei ist die Musik der zehn neuen Titel tatsächlich auf das Wesentliche reduziert worden und entfaltet dadurch Intensität und Tiefgang. Nicht zuletzt werden diese Faktoren durch den melancholisch-sehnsüchtigen Gesang beeinflusst. Dieses Release liefert durch seinen verbitterten Ansatz über Weltschmerz und Sehnsucht einige Gänsehautmomente, hat in diesem Zusammenhang aber auch tanzbare Nummern aufzuweisen. Zwischen Indie, (Retro-)Post-Punk und einigen Wave-Einschüben ist somit ein würdevolles Album entstanden, das die Stärken des jetzigen Trios gebündelt auftreten lässt und viel Gefühl für Melodien aufweist. Glücklicherweise bleiben diese Geschichten nicht unerzählt.

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Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Christian Denner

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