Wenn auf dem hauseigenen Label Pink Floyd Records dieser Tage nach und nach der komplette Backkatalog PINK FLOYDs auf Vinyl wiederveröffentlicht wird, dann hat das zwei gute Gründe: Zum einen waren die meisten der Platten seit Jahren vergriffen. Zum anderen verschafft es dem Vermächtnis der Band, die 2014 mit „The Endless River“ ihr definitiv letztes Album veröffentlichte, noch einmal die verdiente Aufmerksamkeit.
Inbesondere gilt dies für die frühen Alben PINK FLOYDs, die zwar den Mythos begründeten, im Vergleich zu den heutzutage weitaus bekannteren Alben der 70er – allen voran „The Dark Side Of The Moon“, „Wish You Were Here“ und „The Wall“ – aber eine Schattenexistenz führen. „The Piper At The Gates Of Dawn“ genießt in diesem Kontext Sonderstatus, nicht nur als Debütalbum und auch nicht nur als Solitär gebliebener greller Ausdruck der LSD-durchtränkten britischen 70er, sondern vor allem als Verwirklichung der musikalischen Vision des kongenialen Bandgründers Syd Barrett.
Diese wird heute gerne als prototypischer Space- und Psychedelic Rock umschrieben. Damit allerdings ist das Klangkaleidoskop, in dem sich „The Piper At The Gates Of Dawn“ abspielt, keineswegs erschöpfend ausgemalt. Wo man sich unter diesen Genres heutzutage etwas krude, im Grunde aber leicht konsumierbare, jambasierte Musik vorstellt, hatten PINK FLOYD 1967 eine ganz andere Schlagseite: Das Album ist lärmig, laut, es scheppert und knallt an allen Ecken und Enden und bisweilen sucht man verzweifelt nach einem roten Faden zwischen den Songs, der doch nicht wirklich vorhanden ist. Konventionelle Rock-Elemente tauchen nur selten auf, wo „Lucifer Sam“ Surf-Einschlag hat und „Take Up Thy Stethoscope And Walk“ zu einem einzigen, großartigen Orgelsolo geraten ist, sind es doch die klanglichen Experimente, die alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen: In quasi jedem Song tauchen irgendwann sehr frei verwendete Perkussion und Gesangsimprovisationen auf und rücken aufgekratze Gitarren in den Vordergrund. Auch unabhängig davon gibt sich Barrett selten Mühe, übermäßig harmonisch zu klingen – trotz der hohen Stimmlage klingen seine Gesangsspuren häufig genug eher dahingerotzt. Anstrengend kann dies werden, weil die Songstrukturen eigentlich sehr simpel gehalten sind und für Klangeskapaden oft genug gar kein Platz zu sein scheint. „Bike“ treibt dies auf die Spitze, wenn seine zweite Hälfte sich in einer einzigen Kakophonie – inklusive Fahrradklingel – ergeht.
Man muss in diesem Kuriositätenkabinett sicherlich nicht jedes Objekt für gelungen halten, doch weiß allein der Ideenreichtum zu faszinieren: Mit großer Konsequenz werden immer wieder Genres angeschnitten und skizzenhafte Ideen entwickelt, die nur Minuten später wieder krachend in sich zusammenfallen. Als wohltuend erweisen sich da Songs wie „The Gnome“ oder „Matilda Mother“, die den kindlichen Charme, der sich ansonsten vor allem in der Gesangsperformance Barretts manifestiert, auch musikalisch und textlich umsetzen – und auf Experimente verzichten. Besonders das lyrische, verträumte „Matilda Mother“ erweist sich in seiner Wunderland-Atmosphäre zudem als früher Impulsgeber dessen, was in den 70ern dann von von einer ganzen Reihe an Progressive-Rock-Bands umfassend ausgemalt wurde.
PINK FLOYD waren auf „The Piper At The Gates Of Dawn“ weitaus ungestümer und unberechenbarer als auf allen folgenden Alben. Durch seinen eruptiven Charakter ist es nicht immer leicht genießbar, doch bietet es genügend fesselnde Momente, die das Hören dennoch lohnenswert machen. Aus historischer Sicht ist es das freilich sowieso, eignet sich die Scheibe doch gut, um den Wurzeln des späteren, charakteristischen FLOYD-Sounds nachzuspüren. Umso mehr im authentischen Vinylgewand und bei remastertem Sound, der viele Details noch einmal deutlicher hörbar macht.
Wertung: 7 / 10
Mag das Album in seiner Überdrehtheit auch recht gerne, so unperfekt und chaotisch es auch zugegebenermaßen in vielen Punkten ist. Ich höre es auch deutlich lieber als einige beliebtere von ihnen, beispielsweise das in meinen Augen maßlos überschätzte „The Wall“.
Und „Astronomy Domine“ ist eh ein Song für die Ewigkeit!