Wenn auf dem hauseigenen Label Pink Floyd Records dieser Tage nach und nach der komplette Backkatalog PINK FLOYDs auf Vinyl wiederveröffentlicht wird, dann hat das zwei gute Gründe: Zum einen waren die meisten der Platten seit Jahren vergriffen. Zum anderen verschafft es dem Vermächtnis der Band, die 2014 mit „The Endless River“ ihr definitiv letztes Album veröffentlichte, noch einmal die verdiente Aufmerksamkeit.
Beim „Soundtrack From The Film More“ (1969) handelt es sich, wie angesichts des Titels nicht überraschen kann, um einen Soundtrack – um Musik also, der im fertigen Film (und zumal in diesem) keine übermäßig große Relevanz zukam und die primär untermalen soll. Daraus nun zu folgern, es handele sich beim dritten PINK-FLOYD-Release, das auch als offizielles Album erschien, um halbherzige Hintergrundmusik, ist ein Trugschluss.
Gleichwohl schweben entsprechende Vorwürfe gerne im Raum, wenn heute von „More“ die Rede ist: Der Sound sei nicht voluminös genug und damit „seicht“, zu oft arbeite man mit reduziertem Instrumentarium und überhaupt sei das alles nicht typisch für PINK FLOYD und damit musikalisch ohnehin irrelevant. Nach zwei so verschiedenen Alben wie „The Piper At The Gates Of Dawn“ und „A Saucerful Of Secrets“ von einem etablierten PINK-FLOYD-Sound sprechen zu wollen, den es zweifellos noch nicht gab, ist unsinnig, auch generell scheint es aber fragwürdig, spätere Alben als Messlatte anzulegen für Kompositionen, die stilistisch einer merklich anderen Gangart folgten. Es ist bezeichnend, dass die Band selbst die Arbeiten an „More“ im Nachhinein als sehr erfrischend empfand, weil ihnen das Label in kreativer Hinsicht komplett freie Hand gelassen hatte – anders als bei regulären PINK-FLOYD-Alben.
Zu wenig Tiefgang lässt sich „More“ allerdings abseits jeglicher Überlegungen zum Kontext schwerlich vorwerfen. Songs wie „Cirrus Minor“ oder „Crying Song“ sind, wenngleich musikalisch tatsächlich luftiger als der Durchschnittssong der Band, atmosphärisch von beeindruckender Dichte. Lyrische Akustikgitarre in Kombination mit eindringlichen Orgelklängen und weit entferntem, selbstvergessenem Gesang schaffen eine surreale Soundlandschaft, die sich in ihrer äußerlichen Friedlichkeit oft genug als doppelbödig entlarvt: Denn hinter Vogelgezwitscher und entrückten Texten verbergen sich im Grunde abgrundtief melancholische Stimmungen, welchen nur noch wenig der verspielten Mystik von „A Saucerful Of Secrets“ innewohnt.
Gegenüber diesen schlafwandlerischen, introvertierten Songs setzt „More“ Kontraste, die zwar ebenfalls nicht allzu viel mit dem zu tun haben, was man im Allgemeinen von PINK FLOYD erwarten mag, die der Band aber trotzdem sehr gut zu Gesicht stehen. „The Nile Song“, der häufig (und etwas übers Ziel hinaus schießend) als Heavy-Metal-Prototyp bezeichnet wird, ist ein rotziger, eruptiver Rocker mit röhrenden Vocals und wilden Soli. Mit „Up The Khyber“ mag man sich hingegen an die engen Kontakte erinnern, die die Band Ende der 60er zur Canterbury-Szene und insbesondere Soft Machine pflegte, handelt es sich hierbei doch um extrovertierten Jazzrock, der seine eigene Note wiederum vor allem durch exzentrisches Piano und gespenstische Orgelklänge gewinnt.
„Soundtrack From The Film More“ profitiert also vor allem auf der ersten LP-Seite davon, unerwartete musikalische Brüche aneinander zu reihen (und so ist es nur konsequent, auf „Up The Khyber“ eine – diesmal tatsächlich – friedvolle Ballade folgen zu lassen). Dieser Effekt entfaltet seine Wirkung auf der zweiten LP-Seite nicht mehr im gleichen Maße, nicht zuletzt, weil das zum Teil Songmaterial abflacht. Zwar gibt es zwischen Flamenco, Blues und mehr hartem Rock weitere musikalische Überraschungen, doch sind die Songs nicht so fokussiert wie jene auf der ersten Seite – die Instrumentals auf Seite 2 werden dem schlechten Soundtrack-Ruf des Albums vielleicht am ehesten gerecht. Songs wie „Cymbaline“, „Green Is The Colour“ oder eben „Cirrus Minor“ wird man im Backkatalog PINK FLOYDs aber nicht missen wollen, ebenso wenig wie die auf „More“ abermals so gut dokumentierte Experimentierfreude der Briten. Dabei profitiert auch „Soundtrack From The Film More“ von den neuen Remasters, in welchen die Songs noch einmal deutlich an Tiefe gewinnnen.
Wertung: 7 / 10