Wenn auf dem hauseigenen Label Pink Floyd Records dieser Tage nach und nach der komplette Backkatalog der Briten auf Vinyl wiederveröffentlicht wird, dann hat das zwei gute Gründe: Zum einen waren die meisten der Platten seit Jahren vergriffen. Zum anderen verschafft es dem Vermächtnis der Band, die 2014 mit „The Endless River“ ihr definitiv letztes Album veröffentlichte, noch einmal die verdiente Aufmerksamkeit.
Weniger stark als „The Piper At The Gates Of Dawn“ steht „A Saucerful Of Secrets“ im Schatten seiner Nachfolger, große Bekanntheit genießt aber auch dieses Album nicht im Backkatalog PINK FLOYDs. Rückblickend wird man es schon eher als das Debüt als musikalischen Wegweiser für die spätere musikalische Ausrichtung bezeichnen: Auf vielen Songs lassen sich in den mal markigen, mal schwebenden Grooves, dem gesanglichen Wechselspiel Gilmours, Waters‘ und Wrights sowie den elaborierten Keyboard- und Gitarrensoli zentrale Merkmale ausmachen, die der Musik der Band in der Folge erhalten blieben.
Den Zweitling als Prototypen des späteren PINK-FLOYD-Sounds zu begreifen, scheint also naheliegend – nicht zuletzt auch, weil der Titelsong und „Set The Controls For The Heart Of The Sun“ im Folgenden fest zum Liveset gehörten. Dennoch besitzt das Album einen sehr individuellen Charakter, der im Studiosound PINK FLOYDs später kaum mehr vorhanden war. Offensichtlich ist dies im zwölfminütigen Titelsong, der, wollte man die Band als Space Rock kategorisieren, am ehesten als musikalische Repräsentation eines Schwarzen Lochs fungieren könnte: „A Saucerful Of Secrets“ ist ein avantgardistisches Ungetüm, das in seiner ersten Hälfte eher an frei improvisierten Jazzrock, jedenfalls aber an die Szenekollegen Soft Machine und an die Soundexperimente King Crimsons etwa auf „Larks‘ Tongues In Aspic“ (1973) erinnert. Ähnlich radikal experimentierten Waters, Gilmour & Co. in der Folge kaum mehr. Und während der Song gerade auf „Live In Pompeii“ ein sehr breitschultriges, majestätisches Finale erhielt, bleibt die Albumversion trotz des späten Einzugs von Wrights Orgel in ihrer Gesamtheit ein sperriger, düsterer Monolith.
Vergleichsweise weniger vor den Kopf stoßen etwa „Let There Be More Light“ oder „Set The Controls For The Heart Sun“: PINK FLOYD klingen hier von Grund auf luftiger und ätherischer als noch auf „The Piper At The Gates Of Dawn“, vor allem ist es aber die stoische Repetition musikalischer Motive, die diesen Songs eine meditative Stimmung verleiht. Im Backkatalog der Briten im Folgenden immer untypischer wurden hingegen die kryptischen Texte von Roger Waters, aus welchen sich in Wechselwirkung mit der bisweilen fernöstlich angehauchten Musik eine mystische, zum Teil regelrecht hypnotische Atmosphäre entwickelte.
Während die Wright-Kompositionen „See-Saw“ und „Remember A Day“ den typischen, federleichten Sound des Keyboarders erkennen lassen und inhaltlich wie atmosphärisch am ehesten Songs wie „Matilda Mother“ von „The Piper At The Gates Of Dawn“ fortführen, fallen „Corporal Clegg“ und „Jugband Blues“ aus dem Rahmen: Auf Ersterem ist der erste und einzige Auftritt Nick Masons als Leadsänger der Briten zu hören, der vielleicht nicht zu Unrecht solitär geblieben ist. „Jugband Blues“ hingegen stellt das letzte musikalische Lebenszeichen des einstigen PINK-FLOYD-Masterminds Syd Barrett dar, das von Beteiligten gerne als Psychogramm des zu diesem Zeitpunkt bereits unter schweren mentalen Problemen leidenden Musikers gedeutet wird. Nicht nur der Text, sondern auch das schräge Kazoo und das bizarre Bläser-Gastspiel der Salvation Army lassen hoffen, dass es sich hierbei doch um eine Überinterpretation handelte.
Barrett lieferte noch einige weitere Beiträge zum Album (wie etwa die markante Slidegitarre auf „Remember A Day“), womit „A Saucerful Of Secrets“ das einzige Werk PINK FLOYDs ist, auf welchem alle fünf Mitglieder zugleich zu hören sind. Musikalisch hatte sich die Band über weite Strecken aber schon vom Psychedelic Rock des Debüts abgesetzt und eine neue Gangart entwickelt, die sich, trotz des finsteren Experiments im Titelsong, vor allem durch entrückte Leichtigkeit auszeichnet und auf die Wirkung scheinbar unendlicher Wiederholung setzt – was angesichts der Klasse der einzelnen Ideen in der Tat ein bestechendes Konzept darstellte. Die mystische Welt, in die das Album in seiner Gesamtheit einlädt, ist nach wie vor einen Besuch wert: „A Saucerful Of Secrets“ ist vielmehr als ein mehr oder minder zu vernachlässigender Vorbote späterer Großtaten.
Wertung: 8 / 10