Beim Namen dieser Band zuerst an die Zeichentrickserie mit den zwei erfinderischen Brüdern und dem Schnabeltier Perry zu denken, ist wohl weitaus wahrscheinlicher als an eine vierköpfige Metalcore-Kapelle. Doch statt lustiger Unterhaltung für die ganze Familie erhält man mit PHINEHAS seit jeher Metalcore im Stil der 2000er Jahre. So auch auf ihrer neuesten Full Length „The Fire Itself“. Dass die stark vom Melodic Death und Thrash Metal beeinflusste Spielweise des Metalcores auch im Jahr 2021 noch zünden und – wie die angesprochene Serie – einem ein breites Lächeln ins Gesicht zaubern kann, wollen die Amerikaner während der 41 Minuten Spielzeit ihren Hörern beweisen.
Auf dem Opener „Eternally Apart“ führt das Quartett die Hörer und Hörerinnen mit sanftem Intro in das Album ein, bis nach einer halben Minute eine Tapping-Melodie einsetzt, die selbst nach weiteren 30 Sekunden vom nächsten, etwas melancholischeren Thema abgelöst wird. Bevor Sänger Sean McCulloch endlich selbst mitmachen darf, hat vor allem Daniel Gailey mit seiner abwechslungsreichen Gitarrenarbeit einen rein instrumentalen Spannungsbogen erschaffen, der von Beginn an fesselt und mit einem Riff im Stile von Killswitch Engage – nun gepaart mit McCullochs Shouts – fortgeführt wird. Während die Gesangsparts einem klassischen Muster – geschriene Strophe, gesungene Bridge und klarer Refrain – folgen, wird der Hörer von der Saitenfraktion mit Ideenreichtum vollkommen überhäuft: Mit Bridge und Refrain werden bereits das fünfte und sechste Gitarren-Schema des Tracks geboten – alles nach gerade einmal zweieinhalb Minuten. Insgesamt gibt es auf dem fünf Minuten langen Track nur zwei Wiederholungen: Die beiden Strophen, sowie der zwei Mal vorkommende Chorus. Dazwischen säen PHINEHAS noch einen knackigen Breakdown, eine instrumental abgeänderte, auf Bass und Schlagzeug reduzierte Bridge sowie ein erfrischendes Gitarrensolo ein.
So legen die Jungs aus Los Angeles mit dem ersten Track die Latte in Sachen Kreativität und Spielfreude unfassbar hoch, sodass sie diese auf den neun weiteren Liedern selbst nicht mehr überspringen können. Doch auch auf der restlichen Platte wird nicht mit schmissigen Riffs, einprägenden Melodien und dramatischen Soli gegeizt. Kein Wunder also, dass die Songs häufig mit bis zu einer Minute langen Intros sorgfältig aufgebaut werden. So rückt stets die famose Gitarrenarbeit in den Fokus des Hörers: mal im Wechselspiel von pfeilschnellen Thrash-Riffs und stampfender Rhythmik („Holy Coward“), mal in Form eines klassischen Heavy-Metal-Riffs, das einmal in eine Melo-Death-Strophe und ein weiteres Mal in einen Breakdown überleitet („Dream Thief“).
Als einziges Manko könnte man PHINEHAS ankreiden, dass sie trotz allem Ideenreichtum ihre Songs auf eine sehr ähnliche Art aufbauen. So gelingt es ihnen zwar stets, mit ihrem musikalischen Talent zu überzeugen, jedoch selten mit strukturellen Überraschungen für Abwechslung zu sorgen. Als Ausnahme lässt sich in diesem Fall jedoch „The Storm In Me“ heranziehen, das sehr ruhig und ausschließlich mit Klargesang startet, im letzten Drittel schließlich an Fahrt aufnimmt und mit McCullochs einsetzenden Screams in einer clever eingefügten instrumentalen Pause seinen emotionalen Höhepunkt erreicht.
Auch wenn das Hauptaugenmerk verdientermaßen auf Daniel Gaileys Schaffen liegt, würde man dem Rest der Band großes Unrecht tun, ihnen gar keine Lorbeeren abzugeben: Schlagzeuger Isaiah Perez gelingt es immer wieder, den Titeln mit seinem Spiel eine gesunde Mischung aus Dynamik und Coolness zu verleihen („Thorns“, „Defining Moments“), während Frontmann McCulloch durchgängig auf hohem Niveau agiert und gerade dem abschließenden „In The Night“ mit seinen unwiderstehlichen Lows seinen Stempel aufdrücken kann.
Insgesamt beweisen PHINEHAS auf ihrer fünften Platte, dass Metalcore der alten Schule auch in diesem Jahrzehnt noch eine Daseinsberechtigung hat. Gerade bezüglich der Riffs und Melodien bieten die Kalifornier auf „The Fire Itself“ eine Vielzahl an Leckerbissen an, die den unendliche Male recycleten Djent-Metalcore der letzten acht Jahre wie trocken Brot schmecken lassen. Wer also mal wieder richtig Bock auf Musik hat, deren Referenzbands As I Lay Dying, Haste The Day oder I Killed The Prom Queen heißen, muss beim neuesten PHINEHAS-Output unbedingt zuschlagen.
Wertung: 7.5 / 10