Motörhead ohne Lemmy Kilmister? Undenkbar. Entsprechend war klar, dass sich Mikkey Dee und PHIL CAMPBELL ein neues Tätigkeitsfeld suchen müssen, wenn sie weiter im Rock-’n‘-Roll-Zirkus aktiv bleiben wollen. Während sich Dee den deutschen Scorpions angeschlossen hat, versucht es CAMPBELL auf eigene Faust: Mit seiner Hard-Rock-Band Phil Campbell And The Bastard Sons veröffentlichte er eine EP und ein knackiges Debüt – nun wandelt er mit „Old Lions Still Roar“ ganz auf Solopfaden.
Wie es sich für ein Soloalbum eines Rockstars gehört, darf der eine oder andere Freund aushelfen. Und weil PHIL CAMPBELL ein Rocker aus der ersten Reihe ist, sind auch seine Gäste keine B- oder C-Promis. Von Rob Halford (Judas Priest) über Alice Cooper und Dee Snider (Twisted Sister) bis Danko Jones oder Benji Webbe (Skindred) hat sich eine illustre Sängerschar zusammengefunden, um PHIL CAMPBELL am Mikrophon zu unterstützen. Dazu kommen Größen wie Ray Luzier (Korn), Chris Fehn (ehemals Slipknot) oder Matt Sorum (ehemals Velvet Revolver), die sich mit Campbells Sohn Dane am Schlagzeug abwechseln – und nicht minder namhafte Gitarristen wie Mick Mars (Mötley Crüe) oder Joe Satriani.
In Sachen Namedropping ist “Old Lions Still Roar” also schon mal vorne mit dabei, und auch die Titulierung als “Old Lions” trifft auf die meisten Beteiligten zu. Allein darüber, inwieweit hier wirklich gebrüllt wird, kann man sich trefflich streiten. Fakt ist, dass PHIL CAMPBELL hier zehn Songs präsentiert, die auf den ersten Blick keinen Makel haben: Die Produktion ist absolut Lege artis, und die auf “Old Lions Still Roar” gebotenen 40 Minuten gehen flüssig ins Ohr. Nur gebrüllt wird wenig.
Stattdessen präsentieren sich die alten Löwen über weite Strecken sehr verschmust: Schon der Opener „Rocking Chair“ (feat. Leon Stanford) ist eine eher schnarchige Country-Rock-Ballade, wie man sie von verschiedenen Interpreten im Radioprogramm findet. In eine ähnliche Richtung gehen „Left For Dead“ (feat. Nev MacDonald) und „Dead Roses“ (feat. Benji Webbe). Rechnet man das Instrumental-Outro „Tears From A Glass Eye“ (feat. Joe Satriani) ein, wird in vier von zehn Songs also schon mal gar nicht gebrüllt. Und auch die restlichen Nummern sind vergleichsweise brav: Alice Cooper bekommt standesgemäß einen Classic-Rock-Track („Swing It“), in Richtung Heavy Rock geht es hingegen nur in „Straight Up“ (feat. Rob Halford), „These Old Boots“ (feat. Dee Snider) und Faith In Fire (feat. Ben Ward). Dazu kommen mit „Walk The Talk“ (feat. Nick Oliveri) und „Dancing Dogs (Love Surprises)“ (feat. Whitefield Crane) noch zwei vergleichsweise moderne Songs, die stilistisch eher in die Kategorie „Geschmackssache“ fallen.
Auf einem Soloalbum muss Platz für Experimente sein. Insofern ist „Old Lions Still Roar“ das Paradebeispiel eines Soloalbums: Mit vielen Gästen musiziert Mastermind PHIL CAMPBELL auf höchstem Niveau und stilistisch extrem variabel. Das heißt allerdings nicht, dass das Resultat wirklich hörenswert ist: Wer den Waliser vor allem für seine Arbeit mit und bei Motörhead schätzt, wird auf „Old Lions Still Roar“ weniger Songs nach seinem Geschmack finden, als der Titel erwarten lässt. Und von den durchweg sehr markanten Gästen abgesehen bieten die Songs wenig, das wirklich aufhorchen lässt: Einen unverkennbaren Stil sucht man hier ebenso vergebens wie herausragendes Songmaterial. Gut gemacht (und prominent besetzt) ist am Ende eben nicht automatisch gut.
Wertung: 7 / 10