Review Phantom Winter – Her Cold Materials

Angeführt von Andreas Schmittfull (ehemals Omega Massif) haben sich PHANTOM WINTER in nunmehr knapp zehn Jahren sichere Bank im sludgeigen Doom-Metal etabliert. Das liegt zum einen am Fleiß der Truppe, die in der Zeit von Bandgründung (2014) bis 2018 immerhin drei Alben zu Stande gebracht hat – sondern auch und vornehmlich an deren Qualität: Wer es musikalisch gerne dreckig und düster mag, aber nicht durchweg niedergeknüppelt werden möchte, kommt an PHANTOM WINTER eigentlich nicht vorbei.

In Sachen Arbeitstempo haben PHANTOM WINTER zwar etwas nachgelassen – immerhin mussten die Fans auf das neue Album nun länger warten als die Würzburger für ihre ersten drei Releases benötigt haben. Wichtiger ist aber natürlich die Qualität, und dahingehend kann man sich auch bei „Her Cold Materials“ beruhigt – aber auch gespannt – zurücklehnen.

Denn abermals haben PHANTOM WINTER die eine oder andere Stellschraube gedreht, um sich nicht bloß selbst zu wiederholen. Das merkt man bereits bei den ersten Tönen von „Flamethrower“: Der Sound ist differenzierter und wuchtiger als noch auf „Into Dark Science“, der Hall auf den Drums klingt eher nach großer Kathedrale als nach enger Höhle. Entsprechend kraftvoll drückt der Opener aus den Boxen, schleppendes Riffing mit minimalistischem Drumming wird durch fieses Geschrei und omnipräsente, schwebende Leadgitarren konterkariert. Und gerade, als man denkt, alles gehört zu haben, brechen PHANTOM WINTER das Songkonstrukt auf, schwenken um auf zard angeschlagene Cleangitarren, ehe es angeführt von einem wuchtigen Tom-Pattern in einen catchy Midtempopart geht, der zum Ende auf allen Ebenen eskaliert.

Genau diese stilistische Wendigkeit zeichnet auch den Rest insgesamt sechs Songs aus: Beginnt „Her Wound Is Grave“ eher unruhig und chaotisch, folgt unvermittelt – aber nicht unpassend – ein melancholischer Cleanpart mit Sprechgesang, der an Tom Warriors Gesang auf „Monotheist“ denken lässt. Doch ehe man es sich darin gemütlich machen kann, geht es zurück in die fieseste denkbare Prügelei. In „When I Throw Up“ gibt es unvermittelt eine Art Klargesang zu hören, auch in „Shadow Barricade“ experimentieren PHANTOM WINTER mit verschiedensten Gesangsstilen zwischen Stimmbandschreddern und Sprachsample. Insgesamt etwas getragener kommt „Dark Lanterns“ daher, ehe PHANTOM WINTER in „The Unbeholden“ nochmal alle Register ziehen: Treibendes Palm-Mute-Riffing, flirrende Lead-Gitarren, ein Cleanpart mit Sprachsample (Suffocate For Fuck Sake lassen grüßen) und ein überraschendes Ende runden dieses Meisterwerk gelungen ab.

Die eigentliche Stärke von „Her Cold Materials“ – im Titel wie auch Thematisch übrigens angelehnt an die Pullmann-Saga „His Dark Materials“ (dessen erster und bekanntester Teil „Der goldene Kompass“ zuletzt als Serie verfilmt wurde) ist das, was zwischen all den genannten Elementen passiert: Die Leichtigkeit mit der Schmittfull all jene Elemente miteinander in Einklang bringt, mit der ruhige und brachiale Teile ineinander übergehen und verschmelzen. Denn bei allem Ideenreichtum bleibt „Her Dark Materials“ ein schlüssiges, ein süffiges Album. Nur eben eines, das nicht nach zweimal Hören „ausgehört“ ist. In diesen Songs kann man wandeln wie in einer nebelverhangenen Großstadt – der perfekte Soundtrack also für den (Phantom) Winter.

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Wertung: 9 / 10

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