Manchmal braucht es keine Worte. Im Fall des neuen Albums der schwedischen Post-Rocker PG.LOST ist dies nicht nur auf den Verzicht auf Gesang bezogen, sondern auch auf den Albumtitel und das damit einhergehende Artwork: Anstatt das Wort „Key“ auf dem Cover unterzubringen, ist hier lediglich ein Schlüssel vor einem schwarz-weißen Bild abgedruckt. Manchmal wiederum reichen keine einzelnen Wörter, sondern müssen ganze Geschichten erzählt werden. Hierfür spricht, dass die Songtitel auf dem Backcover nicht einfach hintereinander abgedruckt wurden, sondern in eine Geschichte eingebettet sind, die bereits ohne die Musik gehört zu haben eine Vorstellung davon gibt, was einen erwarten wird. Es scheint so, als wäre auf dem vierten Output (nach einer EP und drei Alben) der noch jungen Band alles darauf ausgelegt, eine Geschichte aus Bildern, Musik und Emotionen zu malen. Und das Vorhaben gelingt den vier Schweden so gut, dass sie vom ewigen Geheimtipp einen gewaltigen Schritt nach vorne machen dürften und viele ihrer Vorbilder qualitativ hinter sich lassen: „Key“ ist nicht weniger als das Post-Rock-Highlight des bisherigen Jahres.
Dass die Band in ihrem Stil sicherlich durch Bands wie „Explosions In The Sky“ geprägt wurde, war noch nie ein Geheimnis und zeigt sich auch an den sieben neuen Stücken deutlich. Im Gegensatz zur schier unüberschaubaren Masse von Bands, die ebenfalls an die „Großen“ angelehnt stur die gleichen Muster wiederholen und dabei an Feingefühl und vor allem Individualität missen lassen, zeigen PG.LOST mit ihren umwerfenden Melodien, dass sie nicht nur eine Band unter vielen sind. Was der Opener „Spirits Stampede“ in seinen knapp sechseinhalb Minuten alles abfeuert, bekommen manche Bands in dieser Form in einer ganzen Karriere nicht auf die Reihe: Mächtige Soundwände treffen auf sich spiralförmig nach oben windende Gitarren, der Song bricht mittendrin einfach ab, rappelt sich wieder hoch und wird von unfassbaren Gitarrenmelodien in unvorstellbare Höhen katapultiert, die das Wort Emotion gar nicht laut genug nach draußen schreien können. In folgenden gut 40 Minuten fällt kein Song qualitativ ab, ganz im Gegenteil gelingt es PG.LOST sogar im sprachlos machenden „Sheaves“ den vielleicht besten Song ihrer Karriere vorzulegen – zwei immer intensiver werdende, sich permanent wiederholende Teile krachen hier aufeinander, die zunächst kaum etwas gemeinsam zu haben scheinen, nur um im großen Finale ihre wahre Schönheit zu offenbaren.
Die druckvolle und abwechslungsreiche Produktion tut ihr Übriges, um „Key“ zu dem zu machen, was es ist: Der Bass ist je nach Atmosphäre zwischen wummernd dreckig und brummend warm abgemischt, die Gitarren perlen glasklar, nur um in manchen Momenten wie eine Dampframme alles niederzuwalzen und die sporadisch eingesetzten Chöre und Falsett-Stimmen im Hintergrund sowie immer wieder auftauchende Pianoklänge ergänzen die Musik perfekt. Ihr Gespür für Atmosphäre ist das, was die schwedische Band von vielen Genre-Kollegen abhebt. Dennoch muss man sich darauf gefasst machen, kaum Abwechslung zu finden: Die Songs bestehen zum großen Teil aus Wiederholungen, die nur aufs Minimalste nuanciert werden und so häufig einen Trance-ähnlichen Zustand hervorrufen, der in den erlösenden Momenten die Tränen in die Augen schießen lässt, ob all der Schönheit die auf den Hörer niederprasselt. Wer wirkliche Abwechslung oder musikalische Innovation sucht, ist hier sicherlich nicht an der richtigen Adresse, was den Hörgenuss allerdings nicht schmälert.
„Key“ ist der Beweis, dass man mit der richtigen Einstellung, dem richtigen Gespür für Atmosphäre und Emotionen sowie überlegtem Songwriting auch mit den klassischen Mitteln des Post-Rocks ein herausragendes Stück Musik schreiben kann. Die „Großen“ des Genres müssen sich warm anziehen.
Wertung: 8.5 / 10